EMB - European Milk Board

03/27/2024 | News release | Distributed by Public on 03/28/2024 04:42

Erster Schritt in die richtige Richtung

Nach monatelangen, schweren Bauernprotesten hat sich die EU in Bewegung gesetzt. "Mit ihren ersten Vorschlägen im März zur Position der Erzeuger in der Lebensmittelkette zeigt die EU-Kommission, dass zumindest die Problematik der Stellung der LandwirtInnen am Markt bei ihr angekommen ist. Nun gilt es tatsächlich zielgerichtete Maßnahmen und Instrumente zu entwickeln, um den Exodus der LandwirtInnen aus der Agrarproduktion zu beenden und die zukünftige interne EU-Lebensmittelproduktion abzusichern", erklärt Kjartan Poulsen, der Vorsitzende des European Milk Board asbl (EMB).

Der europäische Dachverband der Milcherzeuger begrüßt den Vorstoß der EU-Kommission, der die Position der Erzeuger in den Fokus rückt, sieht jedoch gleichzeitig noch viel Luft nach oben. Die Situation für Landwirte ist mehr als kritisch und ihre tatsächliche Verbesserung muss erste Priorität in Europa haben. Um dafür die richtigen Maßnahmen zu schalten, müssen ein paar essentielle Punkte beachtet werden. Das EMB wird im Folgenden einige Vorschläge der Kommission bewerten und weiterführende Empfehlungen geben, damit die Maßnahmen erfolgreich das Ziel der Stärkung der Landwirte in der Kette realistisch auch erreichen können:

1. Einrichten von Beobachtungsstelle für Produktionskosten, Margen und Handelspraktiken in der EU-Lebensmittelversorgungskette, an der die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Interessengruppen (z.B. Landwirte, Lebensmittelindustrie, Handel, Konsumenten) beteiligt werden sollen.

So eine Beobachtungsstelle zur Sammlung von grundlegenden Daten ist notwendig. Sie sollte allerdings nicht alleinig Diskutier- oder Austauschclub der Akteure der Kette sein, sondern auch aktiv werden können. "Wir schlagen dafür vor, dass unter Einbeziehung der Daten zu Kosten, Preisen, Margen etc. ein Mechanismus entwickelt wird, so dass beispielsweise in Zeiten von Krisen, Instrumente wie der freiwillige Lieferverzicht automatisch und daher rechtzeitig geschaltet werden", so Poulsen. "Als Vorbild empfehlen wir dazu das Konzept des Marktverantwortungsprogramms MVP". Siehe Details unter: https://www.europeanmilkboard.org/fileadmin/Dokumente/Positions_EMB/Market_Responsibility_Programme/MVP_DE.pdf

2. Stärkung der Bestimmungen auf EU-Ebene für Verträge

Über Verträge und einen passenden rechtlichen Rahmen lassen sich Verbesserungen erreichen. Allerdings müssen diese Verträge angemessen gestaltet und für alle Landwirte zugänglich sein. Die Position der Erzeuger und die Stabilität unserer Produktionsstruktur in der EU kann nur ausreichend verbessert werden, wenn kostendeckende Preise in Verträgen verpflichtend sind sowie Verträge auch Mitgliedern von Genossenschaften zur Verfügung stehen. Zur Unterstützung der Vertragsbestimmungen wäre zudem eine EU-Rechtsvorschrift notwendig, die dazu verpflichtet, dass Erzeugerpreise über den Kosten liegen. Was in anderen Sektoren eine Selbstverständlichkeit ist - dass Kosten weitergegeben werden und sich in den Preisen niederschlagen - ist in vielen Teilen des Agrarsektors nicht der Fall. Die unsichtbare Hand des Marktes drückt die Preise ganz klar und deutlich unter das Kostenniveau. Eine EU-Rechtsvorschrift, die diese Unterschreitung verbietet, würde zu einer Stabilisierung der Einkommenssituation und damit der Produktionsstrukturen in der gesamten EU führen. Dabei sollten auch Marktänderungen und Kostenänderungen mit beachtet werden. "Das EMB hat dazu ein Konzept erstellt, das wegweisend ist", informiert der Vizevorsitzende des EMB, Elmar Hannen. Diesen Entwurf des EMB für eine solche EU-Rechtsvorschrift finden Sie hier: https://www.europeanmilkboard.org/fileadmin/Dokumente/Positions_EMB/2024_VPUEK_Preise_ueber_Kosten/Final_Entwurf_Verordnungsartikel_Gebot_Preis_oberhalb_Produktionskosten_EU-Ermittlung_DE.pdf

3. Stärkung von Erzeugerorganisationen und ihrer Verbände

Erzeugerorganisationen können einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Landwirte am Markt leisten. Daher sind Maßnahmen zu ihrer Unterstützung sehr zu begrüßen. Es müssen allerdings zudem folgende grundlegenden Bedingungen geschaffen werden:

  1. Höhere Bündelungsgrenzen: Erzeugerorganisationen können für eine Gruppe von Erzeugern bis zu einem bestimmten maximalen Marktanteil verhandeln, so dass einem Verarbeiter mit mehr Marktmacht entgegengetreten werden kann. EU-weit sind das 4 Prozent Bündelungsgrad und national in der Regel 33 Prozent. Der Bündelungsgrad ist jeweils nicht ausreichend, wenn man bedenkt, dass z.B. im Milchsektor Molkereien jeweils oft viel höhere Marktanteile besitzen. Der Konzentration auf der Molkereiseite muss eine höhere Konzentration auf Seiten der Erzeuger gegenüberstehen, um eine ähnliche Position auf dem Milchmarkt erreichen zu können. Es müsste also die Möglichkeit bestehen, dass Erzeugergemeinschaften, um mit gleicher Stärke agieren zu können, z.B. EU-weit einen Bündelungsgrad von weit über 10 Prozent erreichen können.
  2. Verhandeln auch für Genossenschaftsmitglieder: Mitglieder von Genossenschaften sind davon ausgenommen, sich von Erzeugerorganisationen vertreten zu lassen. Jedoch sind beispielsweise in vielen Ländern der EU weit über die Hälfte der Milcherzeuger Mitglied in einer Genossenschaft. Wie Hannen erläutert, leiden sie genau wie ihre Kollegen bei privaten Molkereien unter viel zu niedrigen Preisen - es muss also auch für sie die Möglichkeit geben, in Verhandlungen mit ihrer Genossenschaft sich von Erzeugerorganisationen vertreten zu lassen. "Denn dass Genossenschaftserzeuger keine Vertreter benötigen, die für sie gebündelt auftreten, ist ein Trugschluss", so Hannen weiter.

4. Schaffen eines Rahmens für Projekte zum fairen Handel

Die Kommission nimmt in ihrem Papier auch Bezug auf wichtige Erzeugerprojekte wie Fairebel in Belgien oder auch FaireFrance in Frankreich, die über "Die faire Milch" faire Preise für die Landwirte garantieren. Wie EMB-Vorstandsmitglied Boris Gondouin erklärt, stimmt das EMB zu, dass diese Projekte gestärkt werden sollten, da sie eine außerordentliche Vorbildfunktion für ganz Europa haben. "Allerdings ist es wichtig, dass neue Regelungen tatsächlich unterstützend wirken und den Projekten keine Steine in den Weg legen. Dazu muss die Hintergrundsituation für die Erzeugerprojekte, die sich vor Ort sehr schwierig gestalten kann, beachtet werden", erläutert Gondouin. Den Projekten, die basierend auf dieser Hintergrundsituation passende Strukturen entwickelt haben, müsse die notwendige Flexibilität zugestanden werden. Das Projekt der Fairen Milch des EMB gibt es schon seit einigen Jahren und es wird von engagierten Erzeugern bereits in 5 Ländern vorangebracht. "Es ist ein außerordentlich positives und optimistisches Projekt, das es in ganz Europa zu schützen und zu unterstützen gilt", so Gondouin.

Dass man in Europa die Probleme im Agrarsektor nicht mehr aussitzen kann und von Seiten der Politik endlich reagiert musste, ist mehr als offensichtlich. Zu lange hat man das fatale Ungleichgewicht akzeptiert und dabei zugesehen, wie die Landwirte in der Kette immer stärker unter Druck geraten sind und dabei regelrecht ausgepresst wurden. Doch es können nicht irgendwelche Maßnahmen sein, die auf EU-Ebene getroffen werden. Das EMB ruft die EU-Politik sowie alle Beteiligten dazu auf, an der Implementierung und Umsetzung der richtigen notwendigen Maßnahmen zu arbeiten. Sie müssen dafür sorgen, dass kostendeckende Erzeugerpreise endlich erreicht werden und junge Menschen wieder den Weg zurück in die Produktion finden können. Nur dann haben wir einen stabilen und zukunftsfähigen Agrarsektor und eine zuverlässige Lebensmittelproduktion in der EU.

Kontakte :

Kjartan Poulsen - EMB-Präsident (EN, DK, DE): +45 (0)212 888 99
Boris Gondouin - EMB-Vorstandsmitglied (FR): +33 (0) 6 79 62 02 99
Silvia Däberitz - EMB-Geschäftsführung (FR, DE, EN): +49 (0)176 380 98 500