WHO - World Health Organization Regional Office for Europe

09/20/2021 | Press release | Distributed by Public on 09/20/2021 19:20

In der Europäischen Region könnten durch Verdopplung der Alkoholsteuern jährlich 5000 Todesfälle aufgrund alkoholbedingter Krebserkrankungen verhindert werden, sagt WHO/Europa

Pressmitteilung

Kopenhagen, 20. September 2021

In der Europäischen Region der WHO könnten nach Schätzungen jährlich 10 700 neue Krebsfälle und 4850 Todesfälle aufgrund alkoholbedingter Krebserkrankungen verhindert werden, wenn die Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke gegenüber den gegenwärtigen Niveau verdoppelt würden.

Unter den Hauptgewinnern einer solchen ökonomischen Maßnahme wären das Vereinigte Königreich, die Russische Föderation und Deutschland - auf die zusammen fast 40% aller potenziell geretteten Menschenleben entfallen.

Dies gehörte zu den wesentlichen Ergebnissen der neuen Studie der WHO mit dem Titel "Modellierung der Wirkung erhöhter Alkoholsteuern auf dem Alkohol zurechenbare Krebsfälle in der Europäischen Region der WHO", die in Lancet Regional Health - Europe veröffentlicht wurden.

"2020 erkrankten mehr als 4,8 Mio. Menschen in der Europäischen Region der WHO an Krebs", sagte Dr. Carina Ferreira-Borges, kommissarische Leiterin des Europäischen Büros der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, eine der Autorinnen der Studie.

"Die Europäische Region hat von allen Regionen der WHO die höchste Krebsrate, und der hohe Alkoholkonsum trägt dazu bei. Sieben verschiedene Krebsarten sind u. a. auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Die gute Nachricht lautet, dass bis zu 40% der Krebsfälle verhindert werden könnten, und wir haben viele Möglichkeiten, in naher Zukunft den Krebs als lebensbedrohliche Krankheit zu besiegen."

Dr. Ferreira-Borges fügte hinzu: "Die neue Modellierungsstudie der WHO verdeutlicht, dass Steuern die Zahl alkoholbedingter Krebsfälle wirksam senken können. Eine Verdopplung der gegenwärtigen Alkoholsteuern in der Europäischen Region der WHO kann die Vermeidung von ca. 6% der auf Alkoholkonsum zurückzuführenden neuen Krebserkrankungen und krebsbedingten Todesfälle bewirken."

Die Autoren der Studie haben ein Modell für drei Szenarien geschaffen, in dem die gegenwärtigen Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke um 20%, 50% bzw. 100% erhöht wurden. Dazu wurden aus 50 der 53 Länder der Europäischen Region die Krebsdaten für 2019 zusammengestellt.

Vermeidbare Krebserkrankungen: Ergebnisse aus den Ländern

Nach der Studie würden bei einer Verdopplung der gegenwärtigen Verbrauchssteuern folgende Länder die höchsten Fall- und Todesfallzahlen aufgrund vermeidbarer alkoholbedingter Krebserkrankungen verzeichnen:

  1. Vereinigtes Königreich - mehr als 1800 vermeidbare Fälle (10,9% der neuen Fälle) und 680 vermeidbare Todesfälle (10,9% der Todesfälle);
  2. Russische Föderation - mehr als 1400 vermeidbare Fälle (5,4% der neuen Fälle) und 725 vermeidbare Todesfälle (5,0% der Todesfälle); und
  3. Deutschland - mehr als 1250 vermeidbare Fälle (4,9% der neuen Fälle) und 525 vermeidbare Todesfälle (4,8% der Todesfälle).

Eine andere Darstellung der Daten zeigt die Länder mit den höchsten Fall- und Todesfallzahlen aufgrund vermeidbarer alkoholbedingter Krebserkrankungen. Mit einer strengeren Besteuerung könnten folgende Länder in der Europäischen Region den höchsten Anteil ihrer durch Alkoholkonsum verursachten Krebsschäden verhindern:

  1. Norwegen - 23,7% der neuen Fälle (162 vermeidbare Fälle) und 23,8% der Todesfälle (60 vermeidbare Todesfälle);
  2. Armenien - 16,9% der neuen Fälle (22 vermeidbare Fälle) und 16,8% der Todesfälle (13 vermeidbare Todesfälle);
  3. Island - 14,3% der neuen Fälle (5 vermeidbare Fälle) und 14,2% der Todesfälle (2 vermeidbare Todesfälle).

Arten von alkoholbedingten Krebserkrankungen, die vermieden werden könnten

Alkohol wird vom Internationalen Krebsforschungszentrum als humanes Karzinogen der Gruppe 1 eingestuft und ist ursächlich mit Krebserkrankungen der Mundhöhle, des Rachens, der Speiseröhre, des Darms, der Leber, des Kehlkopfs und der weiblichen Brust verknüpft.

Bei einer Verdopplung der gegenwärtigen Verbrauchssteuern auf Alkohol ergaben die Schätzungen die größten Verringerungen bei Brustkrebs und Darmkrebs. So könnten potenziell mehr als 1000 Frauen vor dem Tod an Brustkrebs und 1700 Männer und Frauen vor Tod an Darmkrebs bewahrt werden.

Wirksame Konzepte gegen alkoholbedingte Krebserkrankungen

Dr. Jürgen Rehm, ein weiterer Autor der Studie, ist Leitender Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Psychiatriepolitik des Zentrums für Suchterkrankungen und psychische Gesundheit in Toronto und Mitglied des von WHO/Europa eingesetzten Fachlichen Beirats für Innovationen im Bereich der nichtübertragbaren Krankheiten.

Dr. Rehm erklärte: "In vielen Ländern der Europäischen Region der WHO sind die Steuern nach wie vor niedrig, insbesondere in den EU-Staaten. Deshalb empfiehlt WHO/Europa eine Erhöhung der Steuern auf alkoholische Getränke als eine der besten Maßnahmen mit potenziell hoher Wirkung."

Er fügte hinzu: "Die Umsetzung dieser Konzepte wird in jedem Land, das die Gesundheit seiner Bevölkerung verbessern will, zu positiven Ergebnissen führen. Mit dem von der Europäischen Kommission konzipierten Plan gegen den Krebs und der darin enthaltenen Verpflichtung, alle Rechtsvorschriften der Europäischen Union zur Alkoholbesteuerung zu überprüfen, gibt es ein klares Zeitfenster zum Handeln."

Die Erhöhung der Verbrauchssteuern gehört zu den von der WHO empfohlenen vielversprechendsten Maßnahmen - die eine kosteneffektive Verringerung des Alkoholkonsums und der von ihm ausgehenden Gesundheitsschäden bewirken. Die Maßnahme ist Teil der von WHO/Europa ins Leben gerufenen Bewegung "Gemeinsam gegen den Krebs", deren langfristige Zukunftsvision darin besteht, Krebs als eine lebensbedrohliche Krankheit zu eliminieren.

Andere vielversprechende Konzepte sind:

  • die Einführung und Durchsetzung von Beschränkungen hinsichtlich der physischen Verfügbarkeit von Alkohol im Einzelhandel (z. B. über eingeschränkte Verkaufszeiten); und
  • die Einführung und Durchsetzung von Verboten oder umfassenden Beschränkungen der Exposition gegenüber Alkoholwerbung (in verschiedensten Medienformaten).

Beiträge zu der Studie:

  • Europäisches Büro der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten
  • Abteilung Krebs-Surveillance, Internationales Krebsforschungszentrum, Frankreich
  • Institut für klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
  • Forschungsinstitut für Psychiatriepolitik, Zentrum für Suchterkrankungen und psychische Gesundheit, Kanada