DDPS - Federal Department of Defence, Civil Protection and Sports of the Swiss Confederation

04/18/2024 | Press release | Distributed by Public on 04/18/2024 10:07

Allocution de la présidente de la Confédération Viola Amherd à l’université Andrássy de Budapest

Département fédéral de la défense, de la protection de la population et des sports

Berne, 18.04.2024 - Allocution de la présidente de la Confédération Viola Amherd, cheffe du Département fédéral de la défense, de la protection de la population et des sports (DDPS), à l'université Andrássy, Budapest, jeudi, 18 avril 2024.

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Herr Rektor
Exzellenzen
Sehr geehrte Damen und Herren

Herzlichen Dank für die Einladung und die freundlichen Worte. Ich freue mich, dass ich heute zu Ihnen sprechen kann. Es ist ein Zeichen, der Freiheit, die an so vielen Orten auf dieser Welt bedroht ist. Die Vereinten Nationen konstatieren «ein Zurückdrängen der Menschenrechte in allen Regionen» und «eine globale demokratische Rezession». Im Gegenzug könnte man von einer «autokratischen Inflation» reden.

In solchen Zeiten ist es umso wichtiger, dass sich gerade junge Leute engagieren und demokratische Werte und individuelle Freiheitsrechte verteidigen. Ich wünsche Ihnen Chancen und Möglichkeiten und die Kraft, um Ihre Zukunft und die Zukunft Ungarns bestmöglich zu gestalten!

Wie Sie wissen, übernimmt Ihr Land in der zweiten Hälfte dieses Jahres die EU-Ratspräsidentschaft. Das ist eine Aufgabe, die mit dem Umfeld anspruchsvoller geworden ist. Darüber werde ich mich hier in Budapest morgen mit Präsident Tamás Sulyok und mit Regierungschef Viktor Orbán austauschen.

Wir werden die Beziehungen zwischen der Schweiz und Ungarn diskutieren, die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sowie die Sicherheitslage. Über diese Themen möchte ich heute auch zu Ihnen sprechen und zudem kurz darlegen, welchen Platz ich für Europa in der Welt sehe.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Da unser Kontinent eine kleine Landmasse ist, immer schon geprägt von Wanderungsbewegungen, gab es schon vor einer gefühlten Ewigkeit Kontakte zwischen unseren Vorfahren. In meiner Heimatregion, dem Wallis, etwa fliesst ein Fluss, der «Naviscence» heisst. Wissenschafter haben schon diskutiert, ob es hier einen Bezug zum ungarischen Wort «víz» für Wasser geben könnte. Tatsächlich wurden im Wallis magyarische Überbleibsel gefunden.

Besser bekannt ist der Beitrag, den ungarische Uhrmacher in der Schweiz geleistet haben oder Schweizer Zuckerbäcker wie Emile Gerbeaud oder Christoph Caflisch in Ungarn. Und wie Sie vielleicht wissen, hat die Schweiz 1956 nach der Niederschlagung des Volksaufstandes circa 12'000 ungarische Flüchtlinge aufgenommen. Die Solidarität der Bevölkerung war damals enorm.

Heute pflegen die Schweiz und Ungarn enge freundschaftliche Beziehungen auf allen Ebenen. So sind rund 900 schweizerische Unternehmen in Ungarn angesiedelt; sie bieten über 29'000 Arbeitsplätze an. Dass die Investoren im Gegenzug erwarten, dass stabile Rahmenbedingungen und Investitionssicherheit gewährleistet sind, versteht sich von selbst.

Bedeutend ist auch der kulturelle Austausch. Diverse Schweizer Kulturschaffende leben und arbeiten in Ungarn, oft in der Musik, wo Ihr Land mit seiner grossen Tradition eine starke Anziehungskraft ausübt. Unsere Botschaft leistet im Rahmen der Frankophonie, mit dem Buchfestival und weiteren Kulturveranstaltungen ebenfalls einen Beitrag zu diesen bereichernden Kontakten.

Auf politischer Ebene findet ebenfalls ein reger Austausch statt. Unsere Regierungen sind sich nicht in allen Themen einig, in Fragen der Migration etwa setzt die Schweiz stärker auf gesamteuropäische Solidarität. Doch gerade bei Meinungsverschiedenheiten ist es unerlässlich, das Gespräch zu suchen und den Dialog zu pflegen.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Die Schweiz und Ungarn positionieren sich unterschiedlich in Europa. Mein Land ist bekanntlich nicht Mitglied der Europäischen Union. Dagegen war die Schweiz immer schon eine Europäische Union im Kleinen, ein Gebiet, auf dem einige der grossen europäischen Kulturräume, die deutschsprachige, die französischsprachige und die italienischsprachige Welt gemeinsam etwas Neues geschaffen haben.

Die Schweiz wird oft als Willensnation bezeichnet, weil es keine sprachliche oder ethnische Klammer gibt, die das Land zusammenhält. Über die Jahrhunderte haben sich dagegen komplexe, auch einzigartige Mechanismen entwickelt, wie wir zusammenarbeiten. Der Föderalismus schützt die Spielräume der Kantone und Sprachregionen. Das Kollegialprinzip in der Regierung bedeutet, dass die wichtigsten politischen Kräfte eingebunden sind. Und vor allem haben im System der direkten Demokratie die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger grossen Einfluss.

Auf Bundesebene unterliegt jedes Gesetz entweder dem fakultativen oder dem obligatorischen Referendum. Auch das Instrument der Volksinitiative wird rege genutzt. Am letzten Abstimmungssonntag hat die Bevölkerung zum Beispiel gegen den Willen von Bundesrat und Parlament entschieden, dass künftig eine 13. Altersrente ausbezahlt werden soll. Die Regierung hat jetzt den anspruchsvollen Auftrag, die Finanzierung sicher zu stellen.

Nicht jedes Abstimmungsthema mag gleichermassen komplex erscheinen. Vor einigen Jahren haben wir darüber diskutiert, ob Kühe ihre Hörner behalten müssen, um Subventionen zu erhalten. Das war einem Teil der Bevölkerung aus Tierschutzgründen wichtig. Die Mehrheit hat jedoch entschieden, dass auch hornlose Kühe in Ordnung sind...

Das schwierigste Thema für die Schweiz ist seit Jahren die Frage, wie die Beziehungen zur Europäischen Union im Detail ausgestaltet sein sollen. Damit tun wir uns nicht leicht, obwohl die Schweiz und die Union so viele Interessen und Werte verbinden. Dass es der EU gelungen ist, den Frieden in West- und Mitteleuropa zu sichern, ist eine Leistung, für die sie den Friedensnobelpreis 2012 zweifellos verdient hat. Auch auf der aussenpolitischen Bühne verfolgen die Schweiz und die EU sehr ähnliche Ziele und arbeiten in zahlreichen Bereichen eng zusammen.

Die Herausforderung in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU liegt anderswo: in vielen, teilweise sehr technischen Fragen, die unsere Beziehungen mitprägen. Dabei geht es etwa um Landverkehr, Luftverkehr, Landwirtschaft oder Personenfreizügigkeit.

Vor wenigen Wochen hat in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU eine neue Phase begonnen: Verhandlungen, die es uns ermöglichen sollen, unsere Partnerschaft zu erneuern und zukunftsträchtig zu machen. Mitte März haben beide Seiten entsprechende Mandate verabschiedet, und ich habe mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Verhandlungen am 18. März eröffnet.

Für die Schweiz geht es dabei um den Zugang zum europäischen Markt für unsere Unternehmen, um eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung und um den Schutz der Löhne. Wichtig ist uns auch die Beteiligung der Forschenden an europäischen Projekten. Ein positiver Abschluss, für den wir uns mit aller Kraft engagieren werden, ist im Interesse der Schweiz und im Interesse der EU - es gilt eine Partnerschaft zu bewahren, die eng ist und vielfältig.

Wenn wir zu einem erfolgreichen Abschluss kommen, der in der Schweiz auch vor dem Volk Bestand hat, ist das gut für die EU und gut für die Schweiz. Derzeit sind positive, konstruktive Prozesse besonders wichtig, denn es gibt nicht mehr viel Raum für Unstimmigkeiten zwischen Entitäten, die so viel verbindet.

Die Herausforderungen, die anderswo liegen, sind schlicht zu gross. Wir sehen: Wer autokratisch herrschen will, fühlt sich von freiheitlichen Werten bedroht. Der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt das auf extreme Weise. Die Schweiz ist ein neutrales Land, aber wir haben nie einen Hehl gemacht aus unserer Solidarität mit der Ukraine.

Wir sind nicht aus Idealismus oder Naivität solidarisch, sondern weil es in unser aller Interesse liegt. Insbesondere die Schweiz als kleines Land hat ein existenzielles Interesse daran, dass die internationalen Beziehungen und die internationale Ordnung auf Regeln beruhen und nicht auf dem Recht des Stärkeren. Ich bin mir bewusst, dass die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine auch in der ungarischen Bevölkerung ausgeprägt vorhanden ist, auch wenn der politische Diskurs dies bisweilen überschatten mag.

Neben dem humanitären Engagement legt die Schweiz den Fokus auf den künftigen Wiederaufbau der Ukraine, der aus unserer Sicht von strategischer Bedeutung ist für die Stabilität des Kontinents. Im Sommer 2022 fand hierzu eine Konferenz in Lugano statt, an der die politischen Prinzipien des Wiederaufbaus festgelegt wurden. Vor dem Wiederaufbau aber braucht es Frieden.

Der Philosoph Immanuel Kant soll Frieden als das «Meisterwerk der Vernunft» bezeichnet haben. Aktuell scheinen wir davon leider weit entfernt zu sein. Aber es wäre unverzeihlich, wenn wir nicht versuchen würden, dem russischen Krieg gegen die Ukraine einen gerechten und dauerhaften Frieden folgen zu lassen. Vor allem das grosse Leid der Zivilbevölkerung und darüber hinaus die tragischen Folgen des Krieges in Europa und weltweit, verpflichten alle Staaten, zu handeln.

Für die Schweiz ist das Hinwirken auf ein friedliches Zusammenleben der Völker auch ein Auftrag, den uns die Bundesverfassung vorgibt. Deshalb und aus Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung hat sich die Schweiz bereit erklärt, eine hochrangige Konferenz zum Frieden in der Ukraine auszurichten. Es geht darum, erste konkrete Schritte für einen Friedenprozess zu unternehmen. Die Konferenz wird als Plattform dienen, bei der alle anwesenden Staaten ihre Vorstellungen einbringen können. Was wir sicher brauchen werden, ist das Engagement und die Unterstützung eines grossen Teils der Weltgemeinschaft.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Gegen Ende meiner Rede erlaube ich mir noch einige persönliche Überlegungen zum Platz, den Europa in der Welt von morgen einnehmen kann. Wir wissen, dass unser Kontinent zu den kleinsten gehört, sein Anteil an der Weltbevölkerung ist rückläufig, ebenso sein Anteil an der Weltwirtschaft.

Neben dem Krieg in der Ukraine existieren weitere Konfliktherde und es gibt keine übergeordnete Organisation, die für den gesamten Kontinent sprechen kann. Dem Europarat, der EU oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kommen aber dennoch grosse Bedeutung zu. Eine positive Entwicklung ist aus Sicht der Schweiz zudem die 2022 lancierte Europäische Politische Gemeinschaft (EPG), die einen Austausch zu den grossen Fragen unseres Kontinents ermöglicht.

Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und sozialer Ausgleich: Diese Werte wurden von Europa massgeblich mitgeprägt, nicht zuletzt auch als Lehren aus historischen Fehlern. Als Europäerinnen und Europäer müssen wir den Anspruch haben, dass unser politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Modell als Leuchtturm taugt. «Soft power» funktioniert jedoch nur, wenn diese Werte in Europa auch gepflegt werden.

Ungarn, die Schweiz, ganz Europa: Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um unsere Werte und Interessen zu verteidigen, damit wir die derzeitige globale demokratische Rezession überstehen und unsere Sicherheit und unseren Wohlstand bewahren. Wenn wir uns unseres Erbes, unserer Stärken bewusst sind, werden wir die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen meistern. Ich hoffe: Auch dank Ihnen! Merci!

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