Forschungszentrum Jülich GmbH

05/05/2022 | Press release | Archived content

Vererbte und erlernte Funktionen des Gehirns

Jülich, 9. Mai 2022 - Bei einfachen Prozessen der Wahrnehmung hängen Struktur und Funktion von Gehirnregionen erblich zusammen. Anders bei abstrakteren und komplexeren Vorgängen - hier prägen Umwelteinflüsse, berichtet ein internationales Forschungsteam im Fachmagazin "Nature Communications".

Wie Struktur und Funktion unseres Gehirns zusammenhängen und welche Zusammenhänge erblich sind, beschäftigt Hirnforscherinnen und Hirnforscher seit langem. Für einfache Prozesse der Wahrnehmung wie sehen, hören oder schmecken gilt beispielsweise, dass ähnlich strukturierte Gehirnregionen in einem Netzwerk zusammenarbeiten, die Forschenden sprechen von einer Struktur-Funktions-Kopplung der Gehirnareale. Dieser Zusammenhang wird auch vererbt. Das zeigt das Team um Sofie Valk, die am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-7) und am MPI für Human Cognitive and Brain Sciences in Leipzig arbeitet. Anders ist es bei Hirnregionen, die abstraktere und komplexere Prozesse ermöglichen, die etwa mit sozialer Kognition und autobiografischem Gedächtnis zusammenhängen. Die Kopplung der Funktion mit bestimmten Gehirnstrukturen nimmt hier ab, sie wird nicht vererbt und kann sich daher besonders flexibel an wechselnde Umwelt- und Kultureinflüsse anpassen.

Makaken, das sind mittelgroße Primaten, wiesen ähnliche Muster auf. Der Effekt war aber in den frontalen und parietalen Regionen deutlich schwächer, also genau den Regionen, die abstraktere und komplexere Prozesse ermöglichen. Das deutet da drauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion in diesen Arealen in Menschen mehr entkoppelt ist als bei ihren nächsten Verwandten - möglicherweise eine evolutionär relevante Veränderung, die mit typisch menschlichem Verhalten zusammenhängt.

Diese neuen Erkenntnisse können dazu beitragen, genauer zu beschreiben und zu verstehen, wie Gene und Erfahrungen die menschliche Gehirnstruktur und -funktion formen und mit den individuellen Unterschieden in der menschlichen Kognition zusammenhängen.

Originalartikel: Genetic and Phylogenetic Uncoupling of Structure and Function in Human Transmodal Cortex, Nature Communications
DOI: 10.1038/s41467-022-29886-1

Ansprechpartner

  • Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM)
  • Gehirn und Verhalten (INM-7)