Österreichisches Parlament

04/17/2024 | Press release | Distributed by Public on 04/17/2024 09:58

Nationalrat: Abgeordnete diskutierten die Schwerpunkte der österreichischen und europäischen Außenpolitik Einigkeit über Bedarf zur Regulierung KI-gestützter Waffensysteme,[...]

Wien (PK) - Über die Ausrichtung der österreichischen Außenpolitik sowie der Außenpolitik der Europäischen Union debattierten die Abgeordneten in der heutigen Nationalratssitzung anlässlich des diesjährigen Berichts von Außenminister Alexander Schallenberg über die Vorhaben der EU in seinem Zuständigkeitsbereich. Einstimmig angenommen wurde ein Entschließungsantrag zur Unterstützung der Zivilbevölkerung von Bergkarabach. Mit den Stimmen der SPÖ und NEOS blieb ein Entschließungsantrag zur Vorlage eines offiziellen Entwurfs des Nationalen Energie- und Klimaplans an die EU-Kommission in der Minderheit.

Weiters wurde ein Änderungsprotokoll zum OPEC-Amtssitzabkommen einstimmig angenommen, welches auf arbeitsrechtliche Verbesserungen für die Mitarbeiter:innen der OPEC abzielt. Angenommen wurde zudem ein Allparteienantrag zur Regulierung KI-gestützter Waffensysteme. Mehrheitliche Zustimmung gab es auch für den Beitritt zum Internationalen Impfstoffinstitut.

Außenpolitik-Debatte anlässlich des Berichts über EU-Vorhaben

Mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde der Bericht von Außenminister Alexander Schallenberg über die in seinem Zuständigkeitsbereich geplanten EU-Vorhaben für das Jahr 2024, der auf Wunsch der SPÖ auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung stand. Der Bericht informiert unter anderem darüber, dass sich Österreich bislang mit 153,5 Mio. € an den EU-Hilfen für die Ukraine beteiligt hat, bei einem Gesamtvolumen der Europäischen Friedensfazilität (EFF) von 5,5 Mrd. €. Heuer wird der österreichische Beitragsschlüssel von 2,79 % auf 2,87 % erhöht. Auch die Russland-Sanktionen, die Lage im Nahen Osten, die Herausforderungen im Migrationsbereich, das Bekenntnis Österreichs zur Erweiterung der EU um die Westbalkanstaaten, die Klimakrise und viele weitere Themen werden im Bericht angesprochen.

Petra Steger (FPÖ) kritisierte die aus ihrer Sicht "vollkommen absurde EU-Politik". Die Europäische Union arbeite laut Steger "zielstrebig auf den Ruin der Mitgliedsstaaten hin", kämpfe in einem Krieg, der "nicht unserer" sei und ruiniere die Wirtschaft durch ihren "Klimafanatismus". Es brauche daher eine "Schubumkehr". Volker Reifenberger (FPÖ) meinte, dass die sogenannte europäische Friedensfazilität nicht mit einer "ernst gemeinten Neutralitätspolitik" vereinbar sei. Zudem warf er die Frage auf, ob Österreichs Versorgungssicherheit mit Gas künftig gesichert sei und kritisierte eine "verfehlte Sanktionspolitik" der EU. Die FPÖ sei die einzige Partei, die nicht die Europäische Union, sondern die eigene Bevölkerung im Blick habe, meinte Michael Schnedlitz (FPÖ).

Die Europäische Union setze sich mit aller Macht ein, um bei internationalen Konflikten zu deeskalieren. Es gebe zudem die klare Linie, dass Österreich nicht zur Kriegsfinanzierung beitrage, betonte Außenminister Alexander Schallenberg. Zudem stellte er klar, dass die Russland-Sanktionen nicht dafür da seien, um Frieden zu schaffen. Es gehe darum, die Kriegswirtschaft Russlands mit den Sanktionen zu treffen und dadurch eine Verhaltensänderung herbeizuführen.

Der diesjährige Bricht über die EU-Vorhaben im Bereich der Außenpolitik sei ein Spiegel der aktuellen großen Herausforderungen. Die EU sei von einem Ring von Krisen umgeben und dazu brauche es eine "klare Position", sagte Reinhold Lopatka (ÖVP). Er sprach sich dafür aus, zusammenzuarbeiten und auf der "Seite von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu stehen". Seine Fraktionskollegin Carmen Jeitler-Cincelli ging in ihrer Rede auf die Gefahren für den europäischen Wirtschaftsstandort ein. Der vorliegende Bericht enthalte diesbezüglich "viele Antworten", meinte Jeitler-Cincelli, und betonte, dass eine florierende Wirtschaft in einer "Festung Österreich" nicht funktionieren würde, da es dafür ein "freies Österreich" brauche. Den Asyl- und Migrationspakt der EU thematisierte Nico Marchetti (ÖVP). Auch er unterstrich, dass man Partner brauche, um Probleme zu lösen, da dies nur gemeinsam gehe.

Für eine aktive Außenpolitik Österreichs als neutraler Staat sprach sich Christoph Matznetter (SPÖ) aus. Österreich solle "Platz und Ort der Verständigung" sein und als "ehrlicher Makler" seinen Beitrag leisten. Als Grundsätze dafür nannte Matznetter die Menschenrechte, die Einhaltung des Völkerrechts sowie die solidarische Mitwirkung an der Europäischen Union. Julia Elisabeth Herr (SPÖ) kritisierte den immer noch fehlenden Plan zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele und brachte einen Entschließungsantrag ein, mit dem sie die Bundesregierung aufforderte, einen offiziellen Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans an die EU-Kommission zu übermitteln, um Strafzahlungen auf Grund des Vertragsverletzungsverfahrens zu vermeiden. Der Antrag blieb mit den Stimmen der SPÖ und NEOS in der Minderheit. Der Fokus auf den Konflikt in der Region Bergkarabach dürfe nicht verloren gehen, forderte Eva Maria Holzleitner (SPÖ) und wies auf die besorgniserregenden Folgen des Konflikts für die Frauen und Kinder in dieser Region hin.

Einstimmig angenommen wurde ein von Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) eingebrachter Vierparteien-Entschließungsantrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS hinsichtlich Österreichs Engagement in der Region Bergkarabach und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der geflüchteten Zivilbevölkerung. Mit dem Antrag ist die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, sich auf europäischer und internationaler Ebene weiterhin dafür einzusetzen, dass internationale und europäische Hilfsgelder und -leistungen die Zivilbevölkerung, die aus Bergkarabach flüchten musste, auch künftig gezielt erreicht und darauf hinzuwirken, dass dabei die besonders vulnerable Situation von geflüchteten Frauen und Kindern berücksichtigt wird. Michel Reimon (Grüne) thematisierte die wirtschaftlichen Herausforderungen Europas. Die Europäische Union müsse sich inmitten der aktuellen schweren Wirtschaftskrise um den Aufbau der Wirtschaft kümmern. Eigene Energieerzeugung spiele dabei eine zentrale Rolle, denn Unabhängigkeit von Öl und Gas sei Wirtschafts-, Umwelt- und Außenpolitik in einem.

Auf Zukunftsthemen für Europa ging Helmut Brandstätter (NEOS) ein. Aus seiner Sicht gebe es derzeit keine gemeinsame Außenpolitik in Europa. Zudem meinte er, dass es schwierig werde, in der Zukunft wieder einen besseren Kontakt zu Russland herzustellen, da das Land von Putin auch "moralisch" und "innerlich" zerstört worden sei. Für Initiativen, die sich gegen die Verbreitung von Desinformation richten, sprach sich Henrike Brandstötter (NEOS) aus. Der AI-Act der EU trage zum Schutz bei, doch es brauche auch in Österreich eine Stelle, sie sich mit dem Thema "Fake News" auseinandersetze, forderte Brandstötter.

Änderungen im OPEC-Amtssitzabkommen einstimmig angenommen

Mit einem einstimmig angenommenen Änderungsprotokoll zum OPEC-Amtssitzabkommen wird die Organisation erdölexportierender Länder völkerrechtlich dazu verpflichtet, für ihre etwa 150.000 Arbeitnehmer:innen einen Rechtsschutzmechanismus für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zu implementieren, der im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist. Zudem muss sich die OPEC künftig vor österreichischen Gerichten verantworten, wenn an sie eine zivilrechtliche Schadenersatzklage durch Dritte wegen eines Verkehrsunfalls mit einem der OPEC zuzurechnenden Fahrzeug ergeht. Abgesehen davon bleibt die Immunität der internationalen Organisation in Bezug auf die österreichische Gerichtsbarkeit aber bestehen. Angestoßen wurden die Änderungen im OPEC-Amtssitzübereinkommen durch ein im Jahr 2022 ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs. Anlass dafür war die Beschwerde eines ehemaligen Angestellten, der sich aufgrund der der OPEC gewährten Immunität nicht an das Arbeitsgericht wenden konnte, ohne dass es einen alternativen Rechtschutz gegeben hätte.

Reinhold Lopatka (ÖVP) betonte, dass Wien ein wichtiger Amtssitz für internationale Organisationen sei und Österreich davon profitiere. Die heute beschlossene Änderung bringe arbeitsrechtliche Verbesserungen für die Mitarbeiter:innen der OPEC. Harald Troch (SPÖ) wies darauf hin, dass es einst dem damaligen Außenminister Bruno Kreisky gelungen sei, den Amtssitz der OPEC von Genf nach Wien zu holen. "Österreichs Stimme" habe damals in der Außenpolitik noch etwas gezählt, meinte Troch. Seiner Meinung nach würde sich Österreich heutzutage immer mehr isolieren. Er forderte daher "wieder eine aktive auf Neutralität ausgerichtete Außenpolitik".

Allparteienantrag zur Regulierung KI-gestützter Waffensysteme

Mit einem Allparteien- Entschließungsantrag betreffend KI-gestützte Waffensysteme verweisen die fünf Fraktionen auf Warnungen von Expert:innen, die die zunehmende Automatisierung von Waffensystemen, das Risiko des Verlusts der menschlichen Kontrolle darüber und die Verbreitung von Waffen mit autonomen Funktionen als äußerst gefährliche Entwicklungen einstufen. Es könne etwa zu unbeabsichtigten Konflikt-Eskalationen kommen, so die Befürchtung. Hinzu kämen Gefahren durch die Unvorhersehbarkeit im Verhalten von KI-gestützten Waffen und mögliche Fehler der Systeme. Es dürfe aus rechtlichen, humanitären und ethischen Gründen nicht möglich sein, die Entscheidung über Leben und Tod ohne ausreichende menschliche Kontrolle Algorithmen zu überlassen. Aus diesem Grund brauche es eine internationale Regulierung von autonomen Waffen, die klare Verbote für Waffensysteme vorsieht, die nicht im Einklang mit internationalem Recht wie dem humanitären Völkerrecht sowie ethischen Grundsätzen stehen und unter ausreichender menschlicher Kontrolle eingesetzt werden können, heißt es im Antrag.

Menschen wollen frei und unabhängig über ihr Leben entscheiden und auch wenn künstliche Intelligenz zum Einsatz komme, müsse die Möglichkeit zur Letztentscheidung immer beim Menschen bleiben, sagte Andreas Minnich (ÖVP). Auch Michael Hammer (SPÖ) betonte, dass es eine "Stopp-Taste" für den Menschen beim Einsatz automatisierter Waffensysteme geben müsse. Als "super-wichtiges Regelwerk", bezeichnete Katharina Kucharowits (SPÖ) den AI-Act der EU. Jedoch sei es ein großes Versäumnis, dass die gesamte Rüstungspolitik im Hinblick auf den Einsatz von KI nicht geregelt sei. Volker Reifenberger (FPÖ) betonte, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz fehleranfällig sei und daher gefährlich sein könne. Helmut Brandstätter (NEOS) sagte, dass es durch KI Gefahren, aber auch die Chance gebe, sich davor zu schützen, dies jedoch nur gemeinsam gelingen könne. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) betonte, dass mit Weitblick darauf zu achten sei, welche Entwicklungen gefährlich werden können und Österreich dabei eine Vorreiterrolle einnehmen müsse. Dieser gemeinsame Antrag aller fünf Parteien sei ein Zeichen, dass es ein Wertegefüge gebe, auf das sich alle Fraktionen einigen können, meinte David Stögmüller (Grüne) und Süleyman Zorba (Grüne) hob hervor, dass Kriege vom "KI-Hype" nicht ausgenommen seien und es daher diesbezüglich rechtlich verbindliche Vereinbarungen brauche.

ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS stimmten für Beitritt zum Internationalen Impfstoffinstitut

Österreichs Beitritt zum Internationalen Impfstoffinstitut (IVI) soll vom Nationalrat als Staatsvertrag genehmigt werden. Als unabhängige, gemeinnützige und politisch neutrale Organisation hat sich das Institut der Erforschung, Entwicklung und Bereitstellung sicherer, wirksamer und erschwinglicher Impfstoffe verschrieben. Seine zu Evaluierungs- und Forschungszwecken hergestellten Testimpfstoffe darf das Institut nicht gewerblich nützen. Österreichs jährlicher Mitgliedsbeitrag an das IVI beträgt rund 800.000 €. Hinzu kommen Mietzahlungen für das Wiener IVI-Büro von 60.000 € pro Jahr. Die Vorlage passierte den Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) sah den Beitritt angesichts des Mitgliedsbeitrags und der Mietzahlungen kritisch. Zudem befürchtete sie eine Erhöhung des Einflusses der großer Konzerne. Belakowitsch sprach sich mittels Entschließungsantrag für eine Ablehnung des "WHO-Pandemievertrags" sowie der novellierten Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) aus. Der Entschließungsantrag blieb in der Minderheit.

Impfungen retten Leben, unterstrich Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) mit Nachdruck. Impfungen gehörten zu den größten Errungenschaften der Menschheit. Trotzdem würden Menschen in Österreich mangels Impfschutz sterben - vor allem Babys und Kleinkinder. Durch den Beitritt würden Kooperationsmöglichkeiten entstehen, hielt Bogner-Strauß der Kostenargumentation von Belakowitsch entgegen. Österreich werde verstärkt eingebunden. Zudem erhoffe sie dadurch, Fördermittel nach Österreich zu holen.

Durch die Impfplicht im Rahmen der Corona-Politik sei "ein unglaublicher Schaden bei der Bevölkerung verursacht worden", konterte Gerald Hauser (FPÖ), woraufhin sich eine Debatte über die Corona-Impfpolitik ergab. Im Rahmen der Corona-Pandemie seien politische Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis von Expert:innenmeinungen getroffen worden, hielt Rudolf Taschner (ÖVP) der FPÖ entgegen. Durch Impfungen seien Menschenleben gerettet worden. Impfungen hätten die Lebenserwartungen der Menschen steigen lassen, zeigte er sich von Impfungen überzeugt.

Krankheiten werden mobiler, bezeichnete Fiona Fiedler (NEOS) Gesundheit als internationales Thema. Sie unterstrich die Bedeutung von Forschung und internationaler Zusammenarbeit hervor. Weiterentwicklungen dürften nicht gescheut werden, hielt Fiedler fest. Große gesundheitspolitische Herausforderungen könnten nicht auf nationaler Ebene alleine gelöst werden, so Mario Lindner (SPÖ). Es sei zudem höchste Zeit, wichtige Schutzimpfungen für alle zugänglich zu machen, die sie wollen. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) sprach sich dafür aus, den Amtssitz Österreich zu stärken, um so besser auf eine nächste Pandemie vorbereitet zu sein. Sie plädierte dafür, an einem Strang zu ziehen und für Prävention zu sorgen. (Fortsetzung Nationalrat) bea/gla

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