German Federal Government

04/26/2024 | Press release | Archived content

Regierungspressekonferenz vom 26. April 2024

Sprecherinnen und Sprecher

  • stellvertretende Regierungssprecherin Hoffmann
  • Fischer (AA)
  • Wagner (BMWK)
  • Zimmermann (BMUV)
  • Reis (BMFSFJ)

(Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
SRS'in Hoffmann sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

SRS'in Hoffmann

Ich beginne mit den Terminen des Bundeskanzlers.

Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Sonntag, den 28. April, gegen 19 Uhr den Staatspräsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Félix Tshisekedi, im Bundeskanzleramt empfangen. Nach der Begrüßung sind Gespräche unter anderem im Rahmen eines gemeinsamen Abendessens geplant. Die Demokratische Republik Kongo ist im vergangenen Jahr als 13. Land dem G20 Compact with Africa beigetreten. Ich kann den vertraulichen Gesprächen natürlich nicht vorgreifen. Es wird bei den Gesprächen aber sicher auch um unsere Wirtschaftsbeziehungen gehen und darum, wie die Demokratische Republik Kongo grundsätzlich stärker von privaten Investitionen profitieren kann. Ebenso wird der Konflikt in Ostkongo auf der Tagesordnung stehen. Dies ist ein langjähriger Konflikt, bei dem Ruanda die Lage zuletzt verschärft hat. Die territoriale Integrität Kongos darf nicht weiter verletzt werden. Wir unterstützen hier die Vermittlungsbemühungen Angolas.

Am Montag, den 29. April, wird der Bundeskanzler dann um 12 Uhr den Ministerpräsidenten von Montenegro, Milojko Spajić, zu seinem Antrittsbesuch im Kanzleramt empfangen. Dabei sind militärische Ehren vorgesehen. In einem Gespräch werden sich beide über bilaterale Themen, aber auch über internationale und europapolitische Themen, insbesondere die EU-Perspektive Montenegros, austauschen. Im Anschluss ist dann um 13.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Frage

Frau Hoffmann, habe ich Sie gerade richtig verstanden? Das war eine relativ klare Schuldzuweisung an Ruanda, dass die Konflikte in Ostkongo derzeit so eskalieren?

SRS'in Hoffmann

Ja, wir sind der Meinung, dass die territoriale Integrität Kongos nicht weiter verletzt werden kann und dass sich die Lage zuletzt durch das ruandische Vorgehen verschärft hat.

Zusatzfrage

Welche konkreten Bemühungen unternimmt denn die Bundesrepublik derzeit, um dort auf Ruanda einzuwirken?

SRS'in Hoffmann

Ich kann hier nur noch einmal sagen, dass wir die Vermittlungsbemühungen Angolas unterstützen und dies natürlich auch Thema des Gesprächs zwischen dem Präsidenten und dem Bundeskanzler sein wird.

Fischer (AA)

Ich kann hinzufügen, dass wir natürlich alle die laufenden Bemühungen um Frieden und Stabilität in der Region der Großen Seen unterstützen und uns dabei natürlich auch für die Konfliktbewältigung in der Demokratischen Republik Kongo einsetzen. Dafür befinden wir uns unter anderem mit Ruanda in Gesprächen. Die Außenministerin war zuletzt kurz vor Weihnachten in Ruanda. Da ist es neben anderen Dingen wie der Eröffnung einer Impfstofffabrik natürlich auch um die Situation in Ostkongo gegangen.

SRS'in Hoffmann

Ich kann noch zur Entwicklungszusammenarbeit ergänzen: Wir haben 2023 in Ostkongo zusätzlich zu unserer Entwicklungszusammenarbeit von über 200 Millionen Euro auch humanitäre Hilfe in Höhe von 47 Millionen Euro geleistet. 2024 wird das trotz sinkender Mittel eine humanitäre Priorität für uns bleiben.

Frage

Können Sie sagen, welche Rolle die Bodenschätze des Kongo für die Bundesregierung spielen?

SRS'in Hoffmann

Dazu kann ich hier jetzt direkt nichts sagen. Wir haben ja gesagt: Natürlich werden auch wirtschaftliche Beziehungen Thema der Gespräche sein. Das ist ja ganz normal.

Fischer (AA)

Um das klarzustellen: Es geht hier um die Beilegung eines Konfliktes, nicht um Bodenschätze.

Zusatz

Der Konflikt dreht sich im Osten des Kongos aber unter anderem auch darum, dass die Bodenschätze illegal nach Ruanda fließen und dann auf den Weltmarkt gelangen.

Fischer (AA)

Es gibt verschiedene Komponenten dieses Konflikts, und das ist sicher eine. Für uns steht aber die Bemühung im Vordergrund, Frieden in der Region herzustellen und dies voranzutreiben, und gleichzeitig die Menschen - es gibt dort bis zu 7 Millionen Binnenvertriebene - in dem Konflikt mit humanitären Maßnahmen zu unterstützen.

Ich habe Ihnen eine Ankündigung der Reise der Bundesaußenministerin nach Saudi-Arabien mitgebracht. Am Montag wird die Außenministerin nach Riad reisen und dort wichtige regionale Partner in der Region zu Gesprächen treffen. Im Fokus wird natürlich die Lage im Nahen und Mittleren Osten stehen. Unter anderem wird sie dort bilaterale Gespräche mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate führen und auch die UN-Koordinatorin der humanitären Hilfe in Gaza, Sigrid Kaag, treffen.

Bei dem Besuch wird es darum gehen, in Bezug auf die vielen verschiedenen Brandherde der Krise in Nahost an der Deeskalation und an Fortschritten hin zu einer friedlichen Zukunft zu arbeiten. Hierbei kommt auch den Golfstaaten eine wichtige Rolle zu. Noch immer sind viele Geiseln in der Gefangenschaft der Hamas. Sie müssen nach über 200 Tagen endlich freikommen. Auch die humanitäre Lage in Gaza ist weiterhin katastrophal. Wir arbeiten an Verbesserungen der Bedingungen der Menschen dort. Dafür braucht es einen viel besseren Schutz und Zugang für humanitäre Helfer. Auch eine langfristige Perspektive wird dringend benötigt, damit irgendwann Palästinenserinnen und Palästinenser in Sicherheit und Würde in einem eigenen Staat leben können, Seite an Seite mit Israelis. Wie es bei all diesen Themen zu Fortschritten kommen kann, wird das Thema der Gespräche der Ministerin sein und im Mittelpunkt der Reise stehen.

Frage

Herr Fischer, welche Rolle kann die Herangehensweise der feministischen Außenpolitik an der Stelle in Riad spielen?

Fischer (AA)

Feministische Außenpolitik heißt zunächst einmal, dass wir alle Blickwinkel in Betracht ziehen, insbesondere die von marginalisierten Gruppen wie Frauen und Kindern. Uns geht es bei diesem Konflikt in Gaza darum, dass wir dazu beitragen, die Lage der Menschen, die unter diesem Konflikt leiden, zu verbessern.

Frage

Sie hatten gesagt, dass Frau Baerbock in Riad die Vertreterin der Arabischen Emirate und UN-Vertreter trifft. Wird sie denn auch auf Vertreter des saudischen Regimes treffen, und wenn ja, auf wen?

Fischer (AA)

Ich gehe davon aus, dass sie auch saudische Gesprächspartner haben wird. Wir sind aber noch dabei, das Programm festzuzurren. An dem Tag werden sich mehrere Außenministerinnen und Außenminister in der Region aufhalten. Ich gehe davon aus, dass sich daraus ein bunter Strauß an Gesprächen entwickelt.

Zusatzfrage

Ein Kollege hat es ja gerade schon angesprochen: Wird denn die Ministerin die frauenverachtende Politik des saudischen Regimes öffentlich ansprechen?

Fischer (AA)

In all unseren Gesprächen sprechen wir selbstverständlich Menschenrechtsfragen an.

Zusatz

Ich meinte jetzt: öffentlich.

Fischer (AA)

Ich weiß gar nicht, ob es dort überhaupt einen öffentlichen Auftritt gibt. Es werden intensive Gespräche über die Lösung im Nahen Osten sein. Im Übrigen hat die Ministerin diese Themen aber auch immer wieder öffentlich angesprochen.

Frage

Die arabischen Staaten haben ja diesen Krieg immer scharf kritisiert. Wird das Thema israelischer Kriegsverbrechen bei dieser Konferenz angesprochen werden?

Fischer (AA)

Es wird, wie gesagt, darum gehen, wie wir diesen Konflikt dahin führen können, dass es zunächst einmal zu einem humanitären Waffenstillstand kommt. Wir werden sicherlich auch Fragen wie den Geiselaustausch in den Blick nehmen. Katar spielt da eine wichtige Rolle. Das sind Dinge, die dort besprochen werden. Vor allen Dingen wird es natürlich auch darum gehen, noch einmal den Blick in die Zukunft zu richten, weil wir neben dem aktuellen Konflikt auch einen Weg nach vorne finden müssen, wenn es einmal zu einem Waffenstillstand kommt, nämlich eine Perspektive für eine Zweistaatenlösung vorzuskizzieren und dann daran weiterzuarbeiten. Auch das ist Thema der Reise.

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Wagner und gerne auch an das BMUV zu der Berichterstattung über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Können Sie erläutern, ob sich dadurch in der Rückschau etwas an der Einordnung verändert?

Wagner (BMWK)

Dazu kann ich hier in der Regierungspressekonferenz sehr gerne noch einmal Stellung nehmen. Der Minister hat sich ja heute nach dem Ausschuss schon dazu geäußert und zuvor im Ausschuss, glaube ich, noch einmal sehr transparent klar gemacht und die Berichterstattung eingeordnet, um was es da geht und wie das eigentlich mit der Entscheidung zusammenhängt. Ich kann noch einmal für das BMWK sagen, dass diese Darstellung in der Berichterstattung verkürzt und ohne entsprechenden Kontext ist. Deshalb sind auch die daraus gezogenen Schlüsse nicht zutreffend.

Generell ist zur Einordnung zu dem ganzen Verfahren der Hinweis wichtig, dass ja schon 2011 der Atomausstieg von der damaligen Bundesregierung beschlossen worden war. Der Atomausstieg war für das Ende des Jahres 2022 vorgesehen. Die Atomkraftwerke wurden in den folgenden Jahren schrittweise planmäßig vom Netz genommen. Anfang 2022 waren da noch drei Atomkraftwerke am Netz. Das ist auch der Zeitraum, um den sich die Berichterstattung dreht. Um dem vielleicht vorwegzugreifen: Das Ergebnis war am Schluss, dass die Atomkraftwerke länger, bis Mitte April 2023, gelaufen sind, es also zu einer Verlängerung der Laufzeiten kam. Wir sind jetzt aus der Atomkraft ausgestiegen und können ein Jahr nach Ende der Atomkraft sagen, dass die Energieversorgung weiter gesichert ist. Die Versorgungssicherheit ist sehr hoch. Die Strompreise und auch die CO2-Emissionen sind seit dem Atomausstieg deutlich gesunken. Das sage ich zu der grundsätzlichen Diskussion des Atomausstiegs, die da jetzt oft mit hineinkommt.

Zu der Situation, um die die Berichterstattung sich dreht: Am 24. Februar 2022 begann der Angriff Russlands auf die Ukraine. Für unseren Minister und unser Haus war auch vorher schon absehbar, dass da vielleicht Schwierigkeiten kommen könnten, was unsere Energiesicherheit betrifft. Die ja schon von der Vorgängerregierung verkauften Gasspeicher waren relativ leer, weil sie natürlich strategisch leergezogen wurden. Dem Minister und dem Ministerium war klar, dass da eventuell Schwierigkeiten auftreten können. Der Minister hat schon kurz vor dem Kriegsbeginn eruieren lassen, was die Kernkraftwerke mit einer Laufzeitverlängerung gegebenenfalls leisten können. Das wurde dann mit den Kernkraftbetreibern diskutiert, es wurde im Haus diskutiert, es wurde mit dem BMUV diskutiert. Es wurden alle relevanten Informationen in einer transparenten und entscheidungsoffenen Weise zusammengetragen, und am Schluss musste eine Entscheidung getroffen werden.

In diesen ganzen Entscheidungsprozess fällt auch dieser Vermerk, der sich jetzt in der Berichterstattung befindet. Es handelt sich nur um den Entwurf eines Vermerks, in dem ein Referent Fragen aufgeworfen hat. Diese Fragen wurden im weiteren Prozess beantwortet. Es ist nicht so, dass Informationen vorenthalten wurden, sondern dieser Vermerk stellt die Frage und sagt: Man müsse prüfen, ob ein weiterer Streckbetrieb möglich sei und ob das helfen könne, die Energiesicherheit für den nächsten Winter zu erhöhen. Diese Prüfung fand auch statt, und am Schluss fand noch einmal ein Gespräch mit den AKW-Betreibern statt. Das sind ja diejenigen, die die Expertise über ihre Möglichkeiten und die Voraussetzungen haben, die AKW noch laufen zu lassen. Die AKW-Betreiber stehen, glaube ich, nicht im Verdacht, Kernkraftgegner oder ideologisch getrieben zu sein. Alle drei Betreiber haben zum damaligen Zeitpunkt - Anfang März 2022 - gesagt: Sie sehen es nicht als sinnvoll und möglich an, den Betrieb so weiterzuführen, dass dann im Winter, über das Ausschaltdatum hinaus, noch Strommengen zur Verfügung stehen. Diese Frage wurde beantwortet. Alle Informationen lagen für die Entscheidungsfindung vor und wurden auch zugrunde gelegt. Entscheidend war am Ende natürlich die Einschätzung der Atomkraftwerkbetreiber, die das so gesagt haben. Der Hintergrund war: Sie haben gesagt, sie hätten ihren Betrieb jetzt schon auf den Ausstieg vorbereitet und hätten keine neuen Kernbrennelemente mehr angeschafft. Die liefen langsam leer, und es wäre die Anschaffung von neuen Brennelementen erforderlich gewesen mit einem Vorlauf von mindestens eineinhalb Jahren, wie sie gesagt haben. Das ist ein sehr langer Prozess, bis neue Brennelemente da sind. Dann war die klare Aussage von allen drei Atomkraftwerkbetreibern, dass sie nicht sehen, dass die Laufzeitverlängerung in dieser Zeit etwas bewirken kann. Insofern ist die Entscheidung nach den damaligen Grundlagen, nach den damaligen Informationen, die vorlagen, getroffen worden.

Die Entscheidungsfindung war insoweit transparent. Über das Gespräch mit den Atomkraftwerkbetreibern gibt es ein Protokoll, das ebenso auf der Website des BMWK veröffentlicht ist wie der Prüfvermerk, der dann gemeinsam mit dem BMUV erstellt wurde, zu der Frage, ob ein Weiterbetrieb möglich und sinnvoll ist. Das ist alles transparent auf der Website des BMWK abrufbar.

Um einzuordnen, wie es dann weiterging: Im Sommer hat sich dann die Situation noch einmal verändert. Es gab verschiedene Faktoren, die sich verändert hatten. Das eine war, dass Russland damit begann und am Schluss endgültig das Gas abgedreht hat. Sie erinnern sich wahrscheinlich noch an diese Turbine in der Wartung und solche Kapriolen. Irgendwann führte es dazu, dass gar kein Gas mehr durch die Pipeline kam. Das hat die Situation im Gasmarkt deutlich verschlechtert. Wir hatten einen sehr trockenen Sommer, einen Dürresommer. Wasserkraftwerke hatten weniger Strom. In Frankreich gab es Schwierigkeiten mit Atomkraftwerken. Dazu kam dann vor allem noch eine neue Information: Die Atomkraftwerkbetreiber sahen sich zu diesem Zeitpunkt, im Sommer, in der Lage, doch längere Betriebszeiten zu ermöglichen. Hintergrund war wohl, dass sie in den ersten Monaten des Jahres weniger ihrer Brennstoffe verbraucht hatten, als sie gedacht hatten, sodass sie tatsächlich mit den bestehenden Brennstoffen eine längere Laufzeit ermöglichen konnten.

Das führte dann dazu, dass in der Bundesregierung die Diskussion begann, wie das umgesetzt werden sollte. Am Schluss stand der Streckbetrieb bis Mitte April, der dann vor gut einem Jahr endete. Das Ergebnis ist, wie ich Ihnen gesagt habe: Zu jedem Zeitpunkt stand die Versorgungssicherheit im Vordergrund. Zu jedem Zeitpunkt wurde die Versorgungssicherheit gewährleistet, und zu jedem Zeitpunkt hat das BMWK die Versorgungssicherheit geprüft und immer die notwendigen Entscheidungen getroffen. Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die Frage, ob eine Laufzeitverlängerung sinnvoll ist, wurde damals vom BMWK selbst angestoßen. Ich glaube, mit dem, was der Minister heute gesagt hat, dass wir jetzt transparent und nachvollziehbar darlegen können, dass alle Entscheidungsgrundlagen da waren und dann transparent entschieden wurde.

Zimmermann (BMUV)

Ich würde gerne noch ergänzen. Einiges muss ich nicht wiederholen, aber die Berichterstattung betrifft teilweise ganz gezielt Aspekte des Bundesumweltministeriums, die tatsächlich einer Klarstellung bedürfen. Denn aus unserer Sicht war das doch eine deutlich verzerrte Darstellung durch selektive Zitierungen von Akten und Korrespondenzen. Sehen Sie es mir nach, wenn das jetzt vielleicht auch eine ausführlichere Klarstellung wird.

Der Kollege hat ja schon gesagt, dass wir aufgrund des Angriffskrieges frühzeitig mit einer Prüfung unserer Aufgabe als Bundesumweltministerium begonnen hatten, und als oberste Atomaufsichtsbehörde Deutschlands war dies eben die nukleare Sicherheit, soweit es eben die Atomkraftwerke betraf. Im Rahmen einer eindeutigen Rechtslage, sowohl was den gesetzlich verankerten Atomausstieg betrifft, als auch, was die Sicherheitsanforderungen betrifft, erfolgten unsere Prüfungen selbstverständlich ausschließlich sachorientiert und sehr sorgfältig. Dabei mussten wir aber natürlich als Atomaufsicht auch maßgeblichen Sicherheitsfragen Rechnung tragen. Genau das ist unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe als Atomaufsicht ist nicht, Atomkraftwerke zu retten, wie ich schon mal gelesen habe, sondern zu gewährleisten, dass die nukleare Sicherheit eingehalten wird und eingehalten ist. Das ist unsere Aufgabe und der Rahmen, innerhalb dessen wir geprüft haben: Was sind Probleme? Was ist möglich? Der Kollege hat es ja schon gesagt, am Ende ist dann durchaus ein Streckbetrieb möglich geworden, unter anderem auch deswegen, weil die Betreiber, die ihn anfangs noch für nicht sinnvoll hielten, im Laufe des Jahres zu anderen Ergebnissen gekommen sind, was die Reichweite ihres Brennstoffes betrifft.

Ich komme damit ganz konkret zu einem zitierten Vermerk vom 1. März. Es wird ja suggeriert, da hätten Fachkollegen diverse Szenarien aufgeschrieben, wie man unproblematisch und ohne Bedenken Laufzeiten verlängern könnte. Man kann darüber diskutieren, ob vielleicht der Subtitel unglücklich formuliert wurde, aber es ist schon hilfreich, wenn man sich den Vermerk selbst und seinen tatsächlichen Inhalt einmal anguckt. Erstens ist da schon in der Einleitung davon die Rede, es werde hier diskutiert, und nicht davon, dass man irgendwelche endgültigen Bewertungen abgebe. Zweitens sind diese Szenarien - verkürzt ist das vielleicht etwas missverständlich - nicht alles Laufzeitverlängerungsszenarien. Szenario A war, es bleibt beim Atomausstieg. An diesem Punkt gab es aus Sicht der Fachkollegen keinen Handlungsbedarf. Szenario B war ein kurzzeitiger Weiterbetrieb der Kernkraftwerke um wenige Monate. So kam es ja dann auch am Ende mit dem Streckbetrieb. Selbst da haben die Kollegen nicht gesagt, wie es dargestellt wurde, es gebe keine Bedenken, sondern vielmehr, dass dann die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke gebeten werden müssten, zu prüfen, inwieweit ein Weiterbetrieb mit vorhandenen Brennelementen unter Einhaltung der notwendigen Sicherheit möglich wäre.

Damit kommen wir zum dritten und letzten Szenario, dem langzeitigen Weiterbetrieb, also einer richtigen Laufzeitverlängerung. Entscheidend war ja in der damaligen Diskussion: Welchen etwaigen Beitrag könnten Atomkraftwerke kurzfristig, also in den folgenden zwei Wintern, leisten? - Schon da haben die Kollegen festgehalten: Ob längerfristig ein unterbrechungsfreier Betrieb erfolgen kann, sei nicht zu beantworten. Dafür wäre eine Klärung unter Beteiligung von Betreibern, Herstellern und Landesatomaufsichten sowie deren Gutachtern notwendig gewesen.

Noch entscheidender ist aber, wie von uns ja vielfach kommuniziert, der Aspekt mit der fehlenden umfassenden Sicherheitsüberprüfung. Ich rufe es noch einmal kurz in Erinnerung: Zu dem Zeitpunkt Ende 2022 hatten die letzten drei deutschen Atomkraftwerke seit über 13 Jahren keine umfassende periodische Sicherheitsüberprüfung mehr absolviert. Eigentlich muss man das alle zehn Jahre machen. Es war aber gesetzlich erlaubt, die Prüfung nicht zu machen, wenn klar ist, dass man spätestens drei Jahre nach dem Fälligkeitsdatum das Atomkraftwerk endgültig abgeschaltet wird. Diese Regelung berücksichtigt, dass das nämlich ein sehr aufwendiger, langwieriger, einige Jahre in Anspruch nehmender Prozess ist.

Jetzt ganz konkret zu dem, was am 1. März von den Kollegen formuliert wurde. Die periodischen Sicherheitsüberprüfungen hätten - ich verkürze es etwas - zum 31. Dezember 2019 vorgelegt werden müssen. Das war nach dem Atomgesetz nicht erforderlich, wenn die Anlage drei Jahre später abgeschaltet wird. Jetzt kommt der entscheidende Satz: Bei einem Weiterbetrieb wäre also die letzte Sicherheitsüberprüfung entgegen den gesetzlichen und internationalen Anforderungen 13 Jahre veraltet. - Damit endet das. Da steht nicht: Das ist kein Problem und das ist irgendwie lösbar, sondern da steht eigentlich ein klares K.-o.-Kriterium.

Dieser Vermerk stellt eine Zuarbeit für den eigentlichen Vermerk vom 3. März dar. Es ist also nicht so, wie vermutlich der Eindruck entstanden ist, dass es am 1. März den eigentlichen Vermerk gegeben hat, der dann umgeschrieben wurde. Nein, vielmehr war von Anfang an klar, dass die Abteilung und damit letztlich der Abteilungsleiter einen umfassenden Vermerk schreiben wird. Dafür hat er Zuarbeit angefordert. In seinem Vermerk hat er die Bedeutung dieser Aussage, die ich Ihnen gerade vorgelesen habe, klarer zum Ausdruck gebracht. Der Kollege hat es schon angesprochen: Das Entscheidende ist nicht nur, dass diese beiden Vermerke inhaltlich auf einer Linie liegen, sondern dass die Betreiber diesen Punkt, dass man eine umfassende Sicherheitsüberprüfung nicht einfach mal so nebenbei und aus der Hüfte nachholt, kurz darauf, am 5. März, von sich aus in die Diskussion eingebracht und damit bestätigt haben. Aus ihrer Sicht war es damals so, dass für eine Laufzeitverlängerung entweder die Prüftiefe reduziert werden müsste - man also nicht so genau, nicht so gründlich prüft - und/oder man anschließend auf gegebenenfalls eigentlich notwendige Nachrüstungen verzichtet. Das war für uns mit der nuklearen Sicherheit nicht vereinbar und auch aus Sicht der Betreiber Anfang März 2022 nicht sinnvoll.

Vorsitzende Buschow

Darf ich einmal dazwischen gehen! Ich gucke ein bisschen besorgt auf die Uhr. Mir wurde auch noch eine Nachfrage signalisiert, und wir haben noch weitere Themen. Können wir es ein bisschen kürzer halten?

Zimmermann (BMUV)

Ich brauche nur noch drei Sätze, um Ihnen noch ein Argument zu liefern, warum da nicht eine Fachmeinung von Fachkollegen irgendwie anders dargestellt wurde. Am 9. Februar, also noch vor Ausbruch des Angriffskrieges, hatten dieselben Fachkollegen aufgrund einzelner politischer Forderungen nach einer Laufzeitverlängerung schon einmal aufgeschrieben, wie es um die Frage eines Weiterbetriebs steht. Da haben sie klarer formuliert, es stünden einem Weiterbetrieb rechtliche, technische, wirtschaftliche und organisatorische Gründe entgegen. Sie haben da klar gesagt, für den Betrieb eines AKW müsse eine gültige periodische Sicherheitsüberprüfung vorliegen, und haben da auch deutlich formuliert, eine solche sei sehr aufwendig und nehme erfahrungsgemäß einige Jahre in Anspruch.

Zusatzfrage

Eine ganz kurze Nachfrage, die ausnahmsweise auch gerne mit Ja oder Nein beantwortet werden darf: Sie sehen also im Nachhinein keinen Bedarf, die Kommunikation im Haus zu verbessern?

Zimmermann (BMUV)

Meinen Sie jetzt intern oder nach außen?

Zusatz

Intern und miteinander.

Zimmermann (BMUV)

Soweit ich weiß, sind wir alle mit uns im Reinen. Was jetzt den Eindruck, der entstanden ist, betrifft, so war es uns leider nicht möglich, das besser zu vermitteln und Missverständnissen vorzubeugen, weil wir vor dieser Berichterstattung gar nicht angefragt wurden. Zur Frage der Transparenz denken wir, wir sind sehr transparent vorgegangen. Bei den Akten, die von uns herausgegeben wurden, handelt es sich mitnichten um Geheimakten, sondern die sind seit eineinhalb Jahren herausgegeben. Alle, die sich dafür interessiert hätten, hätten die nach Umweltinformationsrecht genauso bekommen und werden sie jetzt auch erhalten.

Frage

Eine kurze Frage an Frau Hoffmann. Der Kanzler hat damals den Ampelstreit das erste Mal mit seiner Richtlinienkompetenz aufgelöst. Die Frage ist, ob er in die Aufklärung einbezogen ist oder ob er beabsichtigt, sich einzuschalten.

SRS'in Hoffmann

Der Bundeskanzler hat diese Berichterstattung natürlich zur Kenntnis genommen. Sowohl der Vizekanzler als auch die Umweltministerin haben sich ja heute Morgen in zwei Ausschüssen dazu erklärt und haben Rede und Antwort gestanden. Auch das haben wir natürlich zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung hat damals gemeinsam entschieden, die Laufzeiten begrenzt zu verlängern und gleichzeitig aber an dem Ausstieg festzuhalten und ihn dann auch zu vollenden. Damals wurden alle Informationen abgewogen und eine Entscheidung dazu getroffen, und zu der stehen wir natürlich.

Zusatzfrage

Eine ganz kurze Nachfrage an Herrn Wagner. Habe ich Sie richtig verstanden? Minister Habeck lagen nach seiner Einschätzung alle relevanten Informationen vor?

Wagner (BMWK)

Davon gehe ich aus, ja.

Frage

Das Solarpaket I ist ja jetzt mehr oder weniger beschlossene Sache, wenn die Bundesländer sich nachher auch noch dazu durchringen können. Wie schaut es beim Solarpaket II aus? Wo sind wir dort im aktuellen Stand? Erwarten Sie noch umfangreiche Änderungen seitens der Fraktionen?

SRS'in Hoffmann

Das befindet sich meines Wissens im parlamentarischen Verfahren, und dort ist es auch gut aufgehoben. Dazu würde ich mich jetzt hier von Regierungsseite nicht äußern wollen.

Zusatzfrage

Im Solarpaket II sind ja auch einige Regelungen enthalten, die auf EU-Recht zurückgehen. Da gibt es teilweise Umsetzungsfristen. Ich würde gerne wissen, ob Sie glauben, dass Sie die einhalten können. Die Frage geht vielleicht auch an Herrn Wagner.

Wagner (BMWK)

Ich kann, glaube ich, nicht so viel hinzufügen. Das befindet sich im parlamentarischen Verfahren, und Sie kennen die gute Praxis, dass wir das nicht kommentieren. Wie das weitere Verfahren dann verlaufen wird, werden wir sehen.

Zusatzfrage

Die Umsetzungsfristen sind natürlich nicht Sache des Parlaments, sondern sind Sache der Regierung, die im Zweifel auch entsprechende Strafzahlungen zu leisten hätte. Sind Sie also zuversichtlich?

Wagner (BMWK)

Ich gehe davon aus, dass das Parlament wie immer klug beraten und dann zu seinen Entscheidungen kommen wird. Ich kann jetzt keine Prognose abgeben, wie lange das dauern wird.

Reis (BMFSFJ)

Die Bundesfamilienministerin Lisa Paus wird am Wochenende nach Polen reisen. Ab Sonntag bis einschließlich Dienstag, den 30. April, wird sie dort Termine wahrnehmen. Im Fokus der Reise stehen Themen der Gesellschaftspolitik, der Erinnerungskultur und die Freiwilligenarbeit.

Ministerin Paus wird in Warschau die polnische Ministerin für Gleichheit, Frau Katarzyna Kotula, die polnische Bildungsministerin Barbara Nowacka sowie die polnische Ministerin für Familie, Arbeit und Sozialpolitik, Frau Agnieszka Dziemianowicz-Bąk, treffen. In den bilateralen Gesprächen wird es um die Kooperation in der Jugendarbeit gehen, um Gewaltschutz, um produktive Rechte, um die Stärkung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und um die Verbesserung von Familienleistungen.

Presseöffentliche Programmpunkte der Reise sind folgende: Am Sonntag ist ein Besuch des Stammlagers Auschwitz und der Besuch der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz vorgesehen. Dort wird es einen Austausch mit jugendlichen Freiwilligen geben. Am Montag wird es Gespräche mit Vertreterinnen der Zivilgesellschaft zu den Themen produktive Rechte und Gewaltschutz auf Einladung des Botschafters, Herrn Elbling, in der Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau geben. Am Montag wird es einen Besuch des Museums des Warschauer Aufstandes geben, und die Ministerin wird an einem Besuch des Ukrainischen Hauses in Warschau teilnehmen. Am Dienstag wird es eine Diskussionsveranstaltung zum Thema LSBTQI und Gleichstellung in der Heinrich-Böll-Stiftung geben und ebenfalls am Dienstag im Anschluss ein Pressegespräch der Ministerin mit deutschen Korrespondenten und Korrespondentinnen in der Bibliothek der deutschen Botschaft in Warschau.

Frage

Angesichts des relativ ausgefeilten polnischen Systems der Kinderförderung würde ich gerne wissen, welche Inspiration sich die Ministerin für die Debatte um die Kindergrundsicherung dort abzuholen erhofft.

Reis (BMFSFJ)

Ob es da diesbezüglich Gespräche geben wird, kann ich Ihnen an der Stelle nicht sagen. Ansonsten wissen Sie, dass die Beratungen derzeit im Parlament laufen. Insofern kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, ob das Thema auf der Reise sein wird.

Zusatzfrage

Ich frage vor allem vor dem Hintergrund, dass Polen bereits relativ viele Leistungen in dem Bereich digitalisiert hat. Gibt es dort spezielle Gesprächspunkte dazu?

Reis (BMFSFJ)

Es ist gut möglich, dass es dazu Gespräche geben wird, aber wenn, dann wird das sicherlich spontan sein. Nach dem aktuellen Plan ist das jetzt nicht so vorgesehen.

Frage

Ich hätte eine Frage an das Wirtschaftsministerium zum Thema thyssenkrupp. Es gibt jetzt den Einstieg eines bekannten tschechischen Investors, relativ überraschend, und vielleicht sogar die Möglichkeit, statt einer Beteiligung im Minderheitsbereich sogar zu einem 50-50-Joint-Venture zu kommen. Wie bewerten die Bundesregierung und das Wirtschaftsministerium diesen Einstieg?

Wagner (BMWK)

Die Partnerschaft von thyssenkrupp Steel und dem Unternehmen ist zunächst einmal natürlich eine privatwirtschaftliche Entscheidung. Wir haben auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dadurch der eingeschlagene Weg zur Dekarbonisierung des Unternehmens infrage gestellt wird, sondern, ganz im Gegenteil, die Unternehmen bekennen sich beide dazu. Wir werden alles Weitere verfolgen.

Zusatzfrage

Haben Sie Anhaltspunkte für irgendwelche Auswirkungen auf Stellen, auf Jobs?

Wagner (BMWK)

Dafür habe ich keine Anhaltspunkte, nein.

Zusatzfrage

Die Bundesregierung hat ja über Subventionen ziemlich hohe Milliardenbeträge investiert. Gibt es irgendwelche Gründe, diese jetzt zu überdenken?

Wagner (BMWK)

Nein. Die Förderung, die wir für die Dekarbonisierungsprojekte dort vor Ort leisten, ist eine Förderung, die an das Unternehmen und den Standort vor Ort gebunden ist. Das heißt, dass in den Förderbedingungen sozusagen auch geklärt ist, dass dieses Projekt dort vor Ort umgesetzt werden muss. Wenn ein anderer Teilinvestor auch am Unternehmen beteiligt ist, ändert das sozusagen nichts an dem Projekt und der Verpflichtung.

Frage

Herr Wagner, weil jetzt gerade das BMWK im Sinne der Transparenz so aktiv ist, wollte ich fragen. Ihre Kollegin Ungrad hatte hier bekannt gegeben, dass THE noch in diesem Monat die Zahlen zu der Ausspeicherung der über § 35c beschafften Gasmengen mitteilen würde. Bis heute ist das meines Wissens nicht erfolgt. Liegen Ihnen inzwischen die Zahlen vor?

Wagner (BMWK)

Ich habe da aktuell keine Zahlen. Ich würde Ihnen empfehlen, sich noch einmal an die entsprechende Stelle zu wenden.

Zusatzfrage

Die Anfrage ist nicht das Problem. Die Frage ist immer noch, ob das BMWK an der Stelle nicht auch selbst auskunftspflichtig ist; denn es handelt sich ja um mit öffentlichen Mitteln beschaffte Gasmengen.

Wagner (BMWK)

Die Zahlen sollen im Mai wohl vorliegen, habe ich gerade aktuell mitbekommen.

Zusatz

Montag hieß es noch: April.

Wagner (BMWK)

Das hatte ich anders verstanden.

Zusatz

Das Protokoll nicht.

Wagner (BMWK)

Okay.

Frage

Herr Wagner, eine Frage zu China: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat gestern bei einer Rede in Berlin die Rolle Beijings im ukrainischen Krieg sehr scharf kritisiert und hat China vorgeworfen, es heize den Konflikt an. Stimmt die Bundesregierung dem zu?

SRS'in Hoffmann

Sie wissen ja, dass der Bundeskanzler im Rahmen seiner kürzlich erfolgten Chinareise auch sehr ausführliche Gespräche über das Thema Ukraine und über den russischen Angriff gegen die Ukraine geführt hat, unter anderem auch mit dem Staatspräsidenten Xi. Da war klar, dass sich beide darin einig sind, dass man sich um eine politische Lösung für Frieden in der Ukraine bemühen muss und dass es insbesondere auch an China ist, seinen Einfluss in Moskau in diesem Sinne geltend zu machen, damit ein Ende des russischen Angriffskrieges bewerkstelligt werden kann. Das war auch ein Ziel der Reise.

Es wird im Sommer eine hochrangige Konferenz in der Schweiz geben, und im Vorfeld dieser Konferenz werden China und Europa bzw. China und Deutschland sich weiterhin intensiv abstimmen, um dort einer Lösung näher zu kommen. - So viel würde ich dazu gerne allgemein sagen.

Zusatzfrage

Frau Hoffmann, Diplomatie ist ja eine Sache, aber wenn man ein Land beschuldigt, dass es einen Konflikt anheize, dann ist das eine ganz andere Sache. Sehen Sie das ähnlich, wie es der Generalsekretär gesagt hat?

SRS'in Hoffmann

Wie gesagt, unser Ziel ist es, mit China in dem Sinne im Austausch zu sein, dass China sich einbringt, um eine politische Lösung des Konflikts zu fördern und vor allen Dingen auch seinen Einfluss auf Russland in diesem Sinne geltend zu machen. Darüber hinaus ist uns sehr wichtig, dass es von China aus keine Waffenlieferungen an Russland geben soll. Das hat die chinesische Führung in den Gesprächen auch so dargestellt. Ein weiteres Thema waren sogenannte Dual-Use-Güter, und wir drängen darauf, dass auch diese nicht an Russland geliefert werden.

Fischer (AA)

Vielleicht kann ich noch ergänzen, dass wir als Europäische Union auch schon chinesische Unternehmen gelistet haben, die verdächtigt werden, Güter nach Russland geliefert haben, bzw. die auch nachgewiesenerweise Güter nach Russland geliefert haben, die den russischen Kriegsanstrengungen zugutekommen. Insofern ist das ein Thema, das bei den Gesprächen des Bundeskanzlers, aber auch der Außenministerin zum Beispiel am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz mit der chinesischen Seite schon eine sehr wichtige und auch prominente Rolle gespielt hat. Es kann nicht sein, dass ein Land einen völkerrechtswidrigen Krieg auf Umwegen unterstützt oder zumindest toleriert bzw. dass die Unternehmen eines Landes das tun.

Frage

Zur Situation in Gaza: Herr Fischer, lässt Israel nach Kenntnissen der Bundesregierung mittlerweile die gewünschten Mengen an Hilfslieferungen in den Gazastreifen?

Fischer (AA)

Wir sehen, dass es eine Steigerung bei der humanitären Hilfe für den Gazastreifen gegeben hat, aber - auch das haben wir hier immer wieder hervorgehoben - die Hilfe, die derzeit im Gazastreifen ankommt, reicht nicht aus. Es geht weiterhin darum, mehr Hilfe in den Gazastreifen zu bekommen, und da ist auch Israel gefordert.

Zusatzfrage

Die Offensive in Gaza soll ja kurz bevorstehen. Laut dem US-Portal Axios warten alle nur auf Netanjahus Anweisungen, dass die Evakuierung der Zivilbevölkerung in Rafah beginnen kann.

Erstens. Was tut die Bundesregierung gerade noch aktiv, um die Offensive zu verhindern? Denn dagegen sind sie ja.

Zweitens. Wissen Sie, wohin die Zivilbevölkerung aus Rafah evakuiert werden soll?

Fischer (AA)

Sie wissen ja, dass wir auf den verschiedensten Ebenen und den verschiedensten diplomatischen Strängen aktiv sind - ich hatte vorhin schon die anstehende Reise der Bundesaußenministerin nach Saudi-Arabien erwähnt -, und Sie kennen auch unsere Ablehnung einer groß angelegten Offensive in Rafah, die die Ministerin und auch der Bundeskanzler bereits hervorgehoben haben. Die Ministerin war erst in der letzten Woche in Israel und hat ihre Gespräche auch genutzt, um diesen Punkt noch einmal deutlich zu machen.

Die aktuellen Berichte, laut denen die israelischen Vorbereitungen für eine Bodenoffensive auf Rafah voranschreiten, sehen wir vor diesem Hintergrund natürlich mit sehr großer Sorge. Auch das hat die Ministerin in ihren Gesprächen deutlich gemacht. Ich möchte auch noch einmal hervorheben, dass auch die G7 in der Abschlusserklärung nach dem G7-Treffen der Außenministerinnen und Außenminister in Capri ihre Sorge über die humanitären Folgen einer Bodenoffensive in Rafah zum Ausdruck gebracht haben. Sie wissen, dass sich in Rafah über eine Million Menschen aufhalten, die aus anderen Gegenden des Gazastreifens kommen, die von der israelischen Armee aufgefordert sind, die Kampfgebiete zu verlassen, und in Rafah Zuflucht gesehen haben. Ihre Versorgungslage ist weiterhin unzureichend. Sie sind von Hunger und Krankheiten geschwächt, und es ist derzeit wirklich nur schwer vorstellbar, wie sie an einen anderen Ort fliehen könnten.

Unabhängig davon hat Israel natürlich das Recht, sich gegen die Hamas zu verteidigen, aber dabei bleibt der Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten das oberste Gebot. Wie das jetzt in einer Situation, wie wir sie in Raffa vorfinden können, gelingen soll, erschließt sich uns derzeit nicht.

SRS'in Hoffmann

Ich kann das vielleicht auch noch einmal bekräftigen. Der Bundeskanzler hat genau wie die gesamte Bundesregierung und auch im Namen des Europäischen Rats mehrfach gesagt, dass wir eine Offensive gegen Rafah ablehnen. Der Bundeskanzler hat am vergangenen Wochenende auch mit dem israelischen Präsidenten telefoniert, und Sie können davon ausgehen, dass diese Position auch deutlich gemacht worden ist.

Freitag, 26. April 2024