Österreichisches Parlament

04/26/2024 | Press release | Distributed by Public on 04/26/2024 07:07

Außenpolitikbericht 2022: Krieg in Europa dominiert die internationale Arbeit Österreich intensivierte Beziehungen zu Israel, Zusammenarbeit mit NATO steht auf neuer Basis

Wien (PK) - Zunächst schien COVID-19 weiterhin auch das außenpolitische Geschehen zu dominieren, doch mit dem Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022 änderte sich der Fokus der österreichischen, europäischen und internationalen Außenpolitik, wie aus dem Außen- und Europapolitischen Bericht über das Jahr 2022 (III-1151 d.B.) hervorgeht, den Außenminister Alexander Schallenberg dem Parlament nun vorlegt.

118 Mio. € als Ukraine-Hilfe

Gemeinsam mit der EU und zahlreichen internationalen Partnern verurteilte Österreich die russische "Aggression" gegen die Ukraine "auf das Schärfste", wie es im Bericht heißt und unterstützte in der Folge die im EU-Rahmen beschlossenen weitreichenden Sanktionen gegen Russland. Am 9. April war Bundeskanzler Karl Nehammer zu Besuch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Am 11. April besuchte Nehammer den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau und konfrontierte "ihn mit der österreichischen und europäischen Haltung zum illegalen und unprovozierten russischen Angriffskrieg".

Die internationale Gemeinschaft begegnete Russland mit einer Reihe von Suspendierungen, Ausschlüssen sowie Beschränkungen der Zusammenarbeit. Unter anderem schied Russland durch den Ausschluss aus dem Europarat auch als Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aus. Zahlreiche Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (VN) konnten aufgrund russischer Blockaden nicht angenommen werden. So verlagerte sich die Debatte in die Generalversammlung. Dort gab es 2022 vier Abstimmungen. Österreich habe "die Verurteilung der russischen Aggression" unterstützt, wie es im Bericht heißt. Von österreichischer Seite wurde der Sotschi-Dialog als österreichisch-russisches zivilgesellschaftliches Forum ruhend gestellt. Österreich wurde von Russland zum "unfreundlichen Staat" erklärt.

Dem Außenpolitikbericht ist zu entnehmen, dass Österreich bis Ende des Jahres 2022 über 118 Mio. € an staatlicher Hilfe für die Ukraine und besonders betroffene Nachbarländer mobilisierte. Darüber hinaus war Österreich auch im Rahmen der bisherigen finanziellen und humanitären Hilfe sowie der Notfall- und Budgetunterstützung der EU für die Ukraine beteiligt. Laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft zählt Österreich zu den größten Unterstützern bei humanitärer Hilfe für die Ukraine - gemessen am BIP pro Kopf.

Intensivierung der Beziehungen mit Israel

Auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wurde 2022 heftiger. Laut dem Bericht wurde in diesem Jahr die höchste Zahl an palästinensischen Todesopfern seit 2005 gemeldet. Außenminister Schallenberg bekräftigte bei einem Treffen im Westjordanland das Bekenntnis Österreichs zur Zweistaatenlösung.

Unterdessen wurden 2022 die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Israel vertieft. Von Regierungsvertreter:innen wurde in Israel eine gemeinsame Erklärung über eine strategische Partnerschaft unterzeichnet. Vor diesem Hintergrund wurde von der Bundesregierung beschlossen, die Gedenkstätte Yad Vashem bis 2024 mit 1,5 Mio. € zu fördern. Österreichische Exporte nach Israel stiegen 2022 um über 20 % und Israel wurde zum zweitwichtigsten Überseemarkt für den heimischen Tourismus.

Im Einklang mit dem im Regierungsprogramm verankerten Ziel, keine Initiativen und Resolutionen in internationalen Organisationen zu unterstützen, die dem Bekenntnis Österreichs zu Israel zuwiderlaufen, setzte Österreich ein Zeichen gegen eine übermäßige Befassung mit und unrechtmäßige Kritik internationaler Gremien an Israel. Dies umfasste Beschlüsse in der Weltgesundheitsversammlung, dem Menschenrechtsrat und der VN-Generalversammlung sowie untergeordneten Ausschüssen.

Vertiefung der NATO-Zusammenarbeit

Österreich kooperiert mit der NATO, einerseits dient die Kooperation laut Bericht der Behandlung wichtiger sicherheitspolitischer Themen in einem transatlantischen Rahmen und andererseits der Weiterentwicklung der Kapazitäten des Bundesheers. Seit April 2022 basiert die österreichische Zusammenarbeit mit der NATO auf dem neuen Individually Tailored Partnership Programme (ITPP), inhaltliche Schwerpunkte werden damit nun etwa auch auf das Zusammenspiel von Klimawandel und Sicherheit oder neue Technologien gelegt. Österreich beteiligt sich auch an Programmen der NATO (z.B. im Cyberbereich) und ist weiterhin Truppensteller für Friedensoperationen. So stellte Österreich etwa rund 305 Soldatinnen und Soldaten im Kosovo (KFOR-Einsatz).

EU-Erweiterung: Ukraine, Moldau und Georgien als neue Bewerber

Der EU-Rat bestätigte den Kandidatenstatus der Ukraine und Moldau, Georgien wurde dieser in Aussicht gestellt (seit Ende 2023 hat Georgien den Kandidatenstatus). Auch Österreich unterstütze den Wunsch der drei Länder, sofern alle geltenden Kriterien und Regeln im Rahmen der bestehenden Verträge eingehalten werden und auch der Westbalkanfokus bleibe. Die Heranführung der Westbalkanstaaten ist laut Außenministerium eine zentrale Priorität der nationalen Außenpolitik. Die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien im Juli 2022 und die Verleihung des EU-Kandidatenstatus an Bosnien und Herzegowina werden daher positiv bewertet. Auch Kosovo überreichte Mitte Dezember 2022 den Beitrittsantrag. Vom BMEIA wurde zudem eine Westbalkan-Task-Force eingerichtet. Ziel ist ein kontinuierlicher Austausch zwischen den Fachministerien und Vertreter:innen von wichtigen Stakeholdern zur Sicherstellung eines kohärenten Engagements Österreichs in der Region.

90.000 Ukrainische Vertriebene, Ankünfte über Mittelmeerroute und Westbalkan gestiegen

Bis Jahresende 2022 waren rund 90.000 ukrainische Vertriebene in Österreich registriert, mehr als 50.000 wurden in die Grundversorgung aufgenommen. Die Bewältigung von gemischten Migrationsbewegungen (Vertriebene, Flüchtlinge, irreguläre Migrant:innen, Opfer des Menschenhandels) nach Europa stellte 2022 eine besondere Herausforderung dar, wie es im Bericht heißt. Im Jahr 2022 wurden in Österreich laut Bericht 112.272 Asylanträge gestellt, rund 181 % mehr als im Vorjahr. Österreich befand sich 2022 bei den Asylantragszahlen pro Kopf im EU-Vergleich auf dem zweiten Platz nach Zypern. Die Ankünfte in Spanien über die westliche Mittelmeerroute waren im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig, die Ankünfte über die zentrale und die östliche Mittelmeerroute stiegen stark an, wie der Außenminister informiert. Auch auf der Westbalkanroute war ein starker Anstieg zu verzeichnen. Die überwiegende Zahl der Menschen kam über Serbien und Ungarn nach Österreich, eine große Zahl auch über Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Ziel Österreichs ist weiterhin eine wirksame Migrationssteuerung, wie es heißt.

Österreichische Entwicklungszusammenarbeit mit Schwerpunkt Armenien

Dem Bericht ist auch zu entnehmen, dass der Ukrainekrieg zu erhöhtem Interesse der EU an aserbaidschanischem Gas geführt habe. Aserbaidschan beschäftigte die Politik 2022 aber auch auf Grund der Eskalationen im Bergkarabach-Konflikt. Im September überschritten aserbaidschanische Truppen die südliche Staatsgrenze zu Armenien. Es folgten schwere Gefechte mit hunderten Toten und Verletzten. Außenminister Alexander Schallenberg hielt laut BMEIA Kontakt zu beiden Seiten und appellierte auf Dialog und Deeskalation.

Armenien war auch 2022 Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (ODA) Österreichs beliefen sich 2022 weltweit vorläufig auf 1.726 Mio. € bzw. 0,39 % des Bruttonationaleinkommens (BNE). Dies entspricht laut Ministerium einer Steigerung von 521,9 Mio. € bzw. 0,13 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) gegenüber 2021. Schwerpunkte waren die Geschlechtergleichstellung und die Ermächtigung von Frauen und Mädchen, Wasser- und Siedlungshygiene, nachhaltige Energie, Ernährungssicherheit, Friedensförderung und Entwicklungsprävention, Bildung, Umwelt und Klimaschutz.

Ausbau der EU-Cyberabwehr

Zudem ist ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik das Streben einer atomwaffenfreien Welt. Im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz, die zunehmend im militärischen Bereich eingesetzt wird, tritt Österreich dafür ein, dass autonome Waffensysteme ohne sinnvolle menschliche Kontrolle mit einem bindenden Gesetz verboten werden sollen.

Wie dem Außenpolitikbericht zu entnehmen ist, würden geopolitische Spannungen auch häufiger im Cyberraum Niederschlag finden. Im Rahmen der EU wird daran gearbeitet, die Wirksamkeit der Cyber Diplomacy Toolbox aus 2017 zu erhöhen und die EU-Cyberabwehrpolitik auszubauen. Außerdem wurde 2022 mit der "EU Hybrid Toolbox" ein EU-Instrumentarium für eine koordinierte Reaktion auf gegen die EU gerichtete hybride Bedrohungen - hybride Bedrohungen wirken destabilisierend, es sind etwa die Beeinflussung von Wahlen und öffentlicher Meinung durch Desinformationskampagnen oder die Instrumentalisierung von Migration - geschaffen.

Wirtschaftliche Versorgungssicherheit

2022 kam es zudem zu zahlreichen Lieferschwierigkeiten, insbesondere bei medizinischen Gütern. So wurden Interventionen und Hilfestellungen seitens des BMEIA und österreichischer Vertretungsbehörden im Ausland notwendig, wie aus dem Bericht hervorgeht. Um künftig besser gerüstet zu sein, arbeitet das BMEIA an entsprechenden Maßnahmenplänen mit. Im Bericht wird etwa die interministerielle Task Force zur wirtschaftlichen Krisenvorsorge genannt, um frühzeitig bei Lieferengpässen oder -unterbrechungen reagieren zu können. In diesem Zusammenhang wird auch erwähnt, dass 8,1 Millionen Impfstoffdosen zur COVID-19-Pandemiebekämpfung, die in Österreich nicht benötigt wurden, an andere Staaten weitergegeben wurden.

Vereinte Nationen als Auftraggeber für heimische Firmen

Österreich als Ort des Dialogs und der internationalen Diplomatie zu stärken, blieb auch 2022 erklärtes Ziel der österreichischen Außenpolitik. 2022 wurden so neue Amtssitzabkommen mit dem Büro des Ständigen Haager Schiedshofes (PCA), dessen Hauptsitz in Den Haag ist, sowie mit dem Büro des Internationalen Impfstoffinstituts (IVI) mit Hauptsitz in Seoul, abgeschlossen werden.

Dem Bericht zu entnehmen ist auch die Sicherstellung wirtschaftlicher Interessen Österreichs im Bereich der VN. Dabei geht es um die Teilhabe österreichischer Unternehmen am öffentlichen Beschaffungswesen. Laut einem im aktuellen Außenpolitikbericht zitierten statistischen Bericht der VN für 2021 seien 1 % aller Beschaffungsaufträge an heimische Firmen gegangen - das entspreche einem Gesamtvolumen von 294,6 Mio. US-Dollar. (Schluss) map