German Federal Chancellor

05/24/2024 | Press release | Distributed by Public on 05/24/2024 11:06

Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Montenegro am 24. Mai 2024

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK Scholz: Sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Luís Montenegro, herzlich willkommen in Berlin! Ich freue mich, Sie heute bei Ihrem Antrittsbesuch als Premierminister Portugals zu begrüßen. Unser Gespräch eben hat einmal mehr bestätigt: Deutschland und Portugal sind verlässliche Verbündete, enge Partner und gute Freunde, bilateral in der Europäischen Union und in der Nordatlantischen Allianz. Darauf können wir aufbauen.

Gerade haben wir miteinander besprochen, beim Ausbau der Infrastruktur für Energie in Europa insbesondere mit dem Blick auf Wasserstoff eng zu kooperieren. Dafür müssen wir die Verbindung zwischen der Iberischen Halbinsel und Mitteleuropa ausbauen, und genau das haben wir vor.

Für uns beide ist auch klar: Sicherheit und Stabilität auf dem europäischen Kontinent sind von herausragender Bedeutung. - Die Unterstützung der Ukraine, die sich gegen den russischen Imperialismus wehrt, fußt auf einer breiten Basis, und das ist wichtig. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, Ihnen und ganz Portugal für die wichtige und verlässliche Unterstützung der Ukraine zu danken. Die Lage in der Ukraine ist gerade alles andere als einfach. Wir müssen deshalb alles daransetzen, das Land weiter nach Kräften militärisch zu unterstützen. Das gilt insbesondere für die weitere Lieferung von Systemen zur Luftverteidigung und beim Wiederaufbau der schwer beschädigten Energieinfrastruktur.

Ein anderer furchtbarer Konflikt hat uns ebenfalls beschäftigt, die Lage in Gaza. Wir sind uns einig: Die Terrororganisation Hamas muss endlich alle verbliebenen Geiseln entlassen und in einen längerfristigen Waffenstillstand einwilligen. Gleichzeitig muss Israel die humanitäre Versorgung der verzweifelten Menschen in Gaza endlich sicherstellen. Gebraucht werden 400 bis 500 Lkw-Ladungen an Hilfsmitteln, und zwar jeden Tag. Es liegt in der Verantwortung der israelischen Regierung, dass diese Lieferungen auch ankommen.

Der Premierminister und ich haben uns auch über verschiedene europapolitische Themen unterhalten. Die Europäische Union steht vor einer großen Herausforderung. Portugal und Deutschland setzen sich dafür ein, dass die überfällige Erweiterung der EU mit Reformen einhergeht, die die Union handlungsfähiger machen.

Ich will kurz auf das Thema der Kapitalmarktunion verweisen, an der wir intensiv arbeiten müssen. Ja, wir brauchen erhebliche Fortschritte, was die industrielle und technologische Modernisierung Europas betrifft. Wir müssen vorne dabei sein, wenn es um moderne Technologien wie zum Beispiel künstliche Intelligenz und Quantencomputing, um die Frage von Robotik und synthetischer Biologie geht und darum, welche Möglichkeiten sich alle für die Zukunft ergeben. Aber wir müssen eben auch sicherstellen, dass die Modernisierung unserer Wirtschaft mit privatwirtschaftlichem Engagement gelingt. Das setzt einen europäischen Kapitalmarkt voraus, der von seiner gesamten Struktur und Anlage her in der Lage ist, den Notwendigkeiten der Unternehmen zu entsprechen. Das ist der wesentliche Nachteil, den Europa gegenüber anderen Regionen in der Welt hat. Wir müssen die Fragmentierung in 27 Kapitalmärkte überwinden.

Wir brauchen auch alles, um bürokratische Hürden beiseitezuräumen. Insbesondere müssen die Genehmigungsprozesse in der Europäischen Union deutlich beschleunigt werden. Unser Ziel ist ein klimafreundliches und digitales Europa. Das werden wir nur erreichen, wenn es nicht an bürokratischen Hürden scheitert, die Genehmigungsprozesse so langwierig machen, dass wir niemals rechtzeitig unsere Ziele erreichen können.

Das haben unsere Diskussionen gezeigt. Bei all diesen Fragen stehen unsere beiden Länder eng zusammen und wollen das Potenzial Europas gemeinsam stärken. Verehrter Ministerpräsident, ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

MP Montenegro: Ich wünsche Ihnen allen einen guten Tag. Ich möchte zunächst die deutsche Bevölkerung begrüßen und Ihnen lieber Kanzler Scholz auch meinen Dank für die Gastfreundschaft sagen, die Sie uns darbieten, und auch für das Gespräch, das wir eben hatten und das sehr wichtig war. Ich möchte noch einmal hervorheben, was Sie gerade gesagt haben: Die Regierungen unserer beiden Länder, Portugals und Deutschlands, stehen bei einer Reihe von Herausforderungen, die sich Europa und unseren Ländern ganz konkret darbieten, sehr eng beieinander.

Ich hatte bereits die Gelegenheit, beim letzten Treffen des Europäischen Rates kurz mit Olaf Scholz zu sprechen. Er war einer der ersten europäischen Spitzenpolitiker, der mich als neuen portugiesischen Premierminister begrüßt hat. Ich denke, wir haben allen Grund, zuversichtlich zu sein, dass wir unsere Beziehungen weiter ausbauen, seien sie kulturell, politisch oder auch wirtschaftlich. Wir beide sind daran interessiert, unsere Beziehungen im Bereich des Handels weiter zu intensivieren. Deutschland ist bereits der zweitwichtigste Handelspartner für unser Land.

Wir hatten die Gelegenheit, wie Herr Bundeskanzler gerade gesagt hat, verschiedene Themen zu behandeln, die unseren beiden Ländern gemeinsam sind. Ich möchte zunächst auch sagen, dass wir beide verabredet haben, am Deutsch-Portugiesischen Forum Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres teilzunehmen. Dabei werden Unternehmer aus Deutschland auf portugiesische Stellen treffen. Das wird auch eine Gelegenheit sein, um die Investitionen, die deutsche Unternehmen in Portugal tätigen, weiter zu stärken. Darüber hinaus möchte ich auch noch einmal hervorheben, wie wichtig auch die Rolle der portugiesischen Unternehmen in Deutschland ist. Herr Bundeskanzler, wir werden hier mit Priorität die Investitionen in den Bereich des Digitalen, aber auch in die ökologische Transformation behandeln.

Ein Ziel, das Sie angesprochen haben, das ein gemeinsames Ziel ist - ich möchte mich im Namen Portugals für all die Unterstützung bedanken, die uns Deutschland und die Sie, Herr Scholz, uns bei der Erreichung der Zielmarken gegeben haben, die eigentlich schon weiter vorangeschritten sein sollten -, ist im Energiesektor die Anbindung der Iberischen Halbinsel an den Rest Europas, um die Ziele zu verfolgen, dass wir zum einen eine grünere Energie, die umweltfreundlicher ist, und zum anderen auch ein Europa haben, das weniger abhängig ist, also eine größere energetische Autonomie hat, um sich den großen Herausforderungen im wirtschaftlichen Bereich und im Bereich des Wachstums zu stellen.

Herr Kanzler, es war für mich eine große Ehre, dass Sie eben mit mir verabredet haben, an diesem Forum teilzunehmen. Dort können wir natürlich auch weiter über die Vertiefung unserer Handelsbeziehungen diskutieren.

Ein weiteres Thema, das wir behandelt haben, ist die Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht nur im Bereich der Energie, sondern auch bei der Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen. Denn oft müssen sie sich einem Wettbewerb stellen, der gegenüber anderen Volkswirtschaften eigentlich verzerrt ist, in denen die Investitionen und die Unterstützungen ganz anders aussehen.

Zu den Worten, die Sie hier bezüglich der Kapitalmarktunion und der Bankenunion gesagt haben: Der Zugang zur Finanzierung - und nicht ausschließlich öffentliche Finanzierung - ist der Schlüssel für eine größere Mobilität, für mehr Innovation, für mehr Wissen. Das könnte Europa die Chancen bieten, die wir so benötigen, um unsere Wirtschaft weiter zu stärken, sodass wir auch die Grundlage für einen Sozialstaat und den Wohlstand der Menschen haben, so wie wir es möchten.

Bezüglich der politischen Situation hatten wir auch die Gelegenheit, über die Ukraine zu sprechen. Ich möchte hier auch noch einmal bezeugen, wie engagiert Deutschland ist. Was die Hilfe für die Ukraine angeht, stehen Sie in vorderster Front, damit sie sich gegen diesen Angriffskrieg verteidigen kann. Es zeigt sich immer deutlicher, dass dieser Krieg keine Zukunft hat und auch keine guten Perspektiven für Europa oder die Welt parat hält. Diese Unterstützung Deutschlands ist natürlich sehr viel größer als die, die wir in Portugal stemmen könnten. Aber ich möchte trotzdem noch einmal sagen, dass wir, proportional gesehen, wie Sie dies bereits angesprochen haben, Herr Kanzler, militärische, politische, wirtschaftliche, aber eben auch humanitäre Hilfe leisten können.

In Bezug auf den Konflikt im Nahen Osten treten wir in Portugal für eine Zweistaatenlösung ein, also Israel und Palästina. Wir denken, wie auch der Herr Kanzler gerade gesagt hat, dass das dringend erforderlich ist. Auf der einen Seite verurteilen wir die Taten der Hamas gegen Israel. Es ist notwendig, eine Feuerpause zu erreichen, und zwar eine sofortige Feuerpause. Auf der anderen Seite appellieren wir aber auch vehement, dass der Staat Israel die Schwierigkeiten bezüglich der Lieferung von humanitärer Hilfe endlich abbaut. Das ist eine Frage der Humanität, um sicherzustellen, dass diese humanitäre Hilfe an das Ziel kommt.

Als letztes Wort noch ein Appell an Sie, an den nächsten europäischen Wahlen teilzunehmen: Welcher politischen Couleur Sie auch sind, in Deutschland oder auch in anderen Mitgliedsländern, es ist so wichtig, dass alle merken, dass die Wahl der Vertreter eines jeden Landes im Europäischen Parlament die Politik der nächsten Jahre gestaltet, in Europa und in jedem einzelnen Mitgliedsstaat. Wir werden jetzt keine Diskussionen eröffnen. Diese ergeben sich erst im Anschluss an die nächsten Wahlen. Aber es ist, wie gesagt, wichtig, dass es eine hohe Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament gibt.

Einmal mehr herzlichen Dank, Herr Bundeskanzler, für all die Unterstützung, die Sie uns gegeben haben, und für die Art, wie Sie sich auch für die Stärkung der Beziehungen zwischen unseren Ländern, für die Stärkung unserer Volkswirtschaften im Dienste unserer Bürger einsetzen!

Frage: Herr Premierminister, Deutschland wird am Ende des Jahres zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgegeben haben. Wird die portugiesische Regierung den Zeitplan der Vorgängerregierung beibehalten, dieses Ziel 2030 zu erreichen?

Meine zweite Frage geht an Sie und Herrn Scholz: Werden Sie, wenn es einen Haftbefehl für die beiden israelischen Politiker und für die drei Hamas-Mitglieder gibt, diese Haftbefehle in ihren Ländern ausführen?

MP Montenegro: In Bezug auf die erste Frage, die Sie mir gestellt haben: Unser Ziel in der Regierung ist, dass wir zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2030 erreichen. Das ist ein sehr ehrgeiziger Plan, weil wir die letzten Jahre wettmachen müssen. Aber unsere Verpflichtung gegenüber unseren Partnern, gegenüber der Allianz ist total. Aus diesem Grunde verstehen wir natürlich, dass man hier nicht nur darüber reden kann, sondern dass den Worten auch Taten folgen müssen. Die Situation zeigt auch, dass dieses Ziel die beste Art ist, um unserem geografischen Raum und unseren Bevölkerungen im Bereich der Sicherheit und im Bereich der Verteidigung und des Eintretens für unsere Interessen zu dienen.

Bezüglich der Haftbefehle würde ich sagen: Die Haftbefehle müssen ausgeführt werden. Wir warten dann auf die Entscheidungen. Dann werden wir ihnen auch Folge leisten.

BK Scholz: Ich würde gerne die Frage, die an mich gerichtet war, noch beantworten. Die Anträge auf Haftbefehle gegen die Hamas wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind angesichts der uns allen bekannten Gräueltaten des 7. Oktober nur folgerichtig. Gleichzeitig will der Chefankläger auch Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Netanjahu und Verteidigungsminister Galant erwirken. Die Vergleichbarkeit weisen ich und die Bundesregierung entschieden zurück. Deshalb sind wir auch sehr kritisch im Hinblick auf das gemeinsame Vorgehen und haben das ja auch schon zum Ausdruck gebracht.

Was jetzt geschehen wird, hat ein Richtergremium zu entscheiden. Das gilt es abzuwarten. Da muss und darf auch gar nicht spekuliert werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dann, wenn diese Entscheidung getroffen wird, dabei berücksichtigt wird, dass Israel ein demokratischer Rechtsstaat mit einer starken und unabhängigen Justiz ist.

Frage: Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, ich habe zwei Fragen an Sie beide zu den Themen Ukraine und Nahost. In dieser Woche haben drei europäische Staaten Palästina als Staat anerkannt. Portugal und Deutschland sind diesen Schritt noch nicht gegangen. Wann ist für Sie der richtige Zeitpunkt gekommen, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, diesen Schritt auch zu gehen?

Zum Thema Ukraine: Es scheint jetzt in der US-Regierung Überlegungen zu geben, der Ukraine zu erlauben, russisches Territorium auch mit westlichen Waffen anzugreifen. Halten Sie das auch für eine Option, oder würden Sie da eine rote Linie ziehen, und kommt das für Sie nicht in Frage?

BK Scholz: Vielleicht darf ich mit der Antwort auf die Fragen beginnen. Aus meiner Sicht haben wir keinen Anlass, jetzt eine Anerkennung der PA als eigenen Staat zu vollziehen. Es gibt keine Klarheit über das Staatsgebiet und über all die anderen Fragen, die damit zusammenhängen, aber es ist auch nicht so weit. Was wir brauchen, ist eine verhandelte Lösung zwischen Israel und den Palästinensern, die auf eine Zweistaatenlösung hinausläuft. Dazu gehört dann auch eine palästinensische Autonomiebehörde, die für Westbank und Gaza zuständig ist. Aber da sind wir noch lange nicht.

Jetzt geht es erst einmal darum, einen längerfristigen Waffenstillstand zu erreichen. Es geht auch darum, dass sich alle Beteiligten zur Zweistaatenlösung bekennen. Wenn ich die arabischen Länder um Israel und Palästina herum betrachte, dann wird man sehen, dass dort viele ja doch sehr darauf hinwirken, gemeinsam Sicherheit in der Region zu gewährleisten. Das hat sich über die letzten Wochen und Monate bewiesen. Deshalb kann man auch ganz mutig vorangehen und jetzt Hoffnung in Bezug auf eine Zweistaatenlösung entwickeln. Aber der Weg der symbolischen Anerkennung der Staatlichkeit führt jetzt nicht weiter.

Was die zweite Frage, die Sie gestellt haben, betrifft, glaube ich, macht es überhaupt keinen Sinn, irgendwelche Spekulationen darüber anzustellen, was irgendwer irgendwo erwägt. Das ist zwar sehr in Mode, aber ausgesprochen untunlich. Aus meiner Sicht ist es viel wichtiger, darauf hinzuweisen, dass wir sehr klare Regeln haben, und die haben wir.

MP Montenegro: Bezüglich der Anerkennung des Staates Palästina: Die Position der portugiesischen Regierung ist, wie ich bereits gesagt habe, dass wir darauf hinwirken, dass es letztendlich die Anerkennung zweier Staaten gibt. Allerdings hat Portugal in der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die Anerkennung Palästinas als Vollmitglied gestimmt. Das ist eine Form, um einen Beitrag zu leisten, damit es eine Annäherung gibt, die den Weg für eine Zweistaatenlösung eröffnen könnte.

In Bezug auf die unilaterale, einseitige Anerkennung denken wir, dass wir nicht in der Position sind, dies zu tun. Wir werden dies zu diesem Zeitpunkt nicht tun. Wir warten auch, dass diese Fragen innerhalb der Europäischen Union weiter diskutiert werden.

Frage: Eine Frage auch an die beiden, wenn Sie antworten mögen: Die europäischen Wahlen stehen kurz bevor. Die extreme Rechte wird wohl ein sehr positives Ergebnis bei diesen Wahlen haben. Sie beide sind seit vielen Jahren in der Politik und gehören traditionellen Parteien an. Was läuft schief, dass dies passiert? Und was ist die Verantwortung, die vielleicht auch Sie für das Anwachsen der extrem Rechten in Europa haben?

BK Scholz: Zunächst einmal wird gewählt, und ich will mich dem Appell des portugiesischen Ministerpräsidenten anschließen. Das Wichtigste ist, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger von ihren Möglichkeiten und Rechten Gebrauch machen und zur Wahl gehen. Das stärkt auch die Chance für ein klares Votum für demokratische Parteien, die für ein gutes Miteinander in Europa und eine europäische Perspektive eintreten, ob das nun Sozialdemokraten sind, ob das Konservative sind, ob das liberale Parteien sind oder ob das grüne politische Formationen sind.

Für mich ist klar: Wenn die nächste Kommission gebildet wird, darf sie sich im Parlament nicht auf eine Mehrheit stützen, die auch die Unterstützung von Rechtsextremen braucht. Es darf auch nicht konstruiert werden. Insofern bin ich sehr bedrückt über die Uneindeutigkeit manch politischer Aussage, die wir zuletzt gehört haben. Ich aber bin da klar. Es wird auch nur gelingen, eine Kommissionspräsidentschaft zu etablieren, die sich auf die traditionellen Parteien stützt, die ich eben benannt habe. Alles andere wäre für die Zukunft Europas ein Fehler.

Was die Frage des Aufkommens rechter populistischer Parteien betrifft: Das ist ein großes Phänomen, das uns gerade in Europa und auch in Nordamerika gemeinsam begleitet. Der rechte Populismus ist eben ein Phänomen der modernen Zeit, in der wir leben, und hat etwas damit zu tun, dass wir neu dafür kämpfen müssen, dass alle sicher sein können, dass die Zukunft gut ausgehen wird.

Ich glaube, diese Frage ist jetzt entscheidend: Haben wir als die klassischen Länder des Nordens mit großer ökonomischer Kraft eine Perspektive in einer Welt, in der die Globalisierung erfolgreich ist, in der es Milliarden Menschen gibt, die wirtschaftlich aufgestiegen sind, in der die Mittelschicht in Asien, im Süden Amerikas und in Afrika wächst, in der Autobahnen, Eisenbahnen, Flughäfen, Industriefabriken, Forschungseinrichtungen, Universitäten, Schulen und Krankenhäuser entstehen, die das qualitative Niveau haben, das wir in unseren Ländern kennen? Es ist gut, dass diese Entwicklung eintritt. Verbunden ist sie aber mit Unsicherheit: Wie wird das alles werden? Das gilt auch für viele der modernen technologischen Entwicklungen. Das gilt für die große Herausforderung, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten.

Das Einzige, was dagegen hilft, sind zwei Dinge: Das Erste ist die Zuversicht, dass die Zukunft auch für unsere Länder gut ausgeht, dass wir vorne dabei sind. Das Zweite ist die Zuversicht, dass das nicht nur für einige in unseren Ländern, sondern für die breite Masse der Bevölkerung, für alle gilt, dass wir also einen inklusiven Weg, einen gemeinsamen Weg in die Zukunft bekommen, der von Gerechtigkeit, gesellschaftlichem Zusammenhalt und technologischer und ökonomischer Modernisierung geprägt ist.

Das alles ist möglich. Die deutsche Regierung hat mit einem unglaublichen Tempo alles dafür getan, Prozesse zu beschleunigen, damit dieses modernisierte Wachstum stattfinden kann, und arbeitet weiter daran.

Wir merken, dass sich eine solche Angebotspolitik in der Wirtschaft unmittelbar auswirkt. Die Modernisierungen, die wir etwa im Bereich von Gesundheitsdatennutzung und Pharmaindustrie beschlossen haben, tragen dazu bei, dass jetzt milliardenschwere Investitionen ohne Subventionen in Deutschland getätigt werden und große Fabrikkomplexe entstehen. Das Gleiche gilt für die Entwicklung der Digitalisierung. Dass jetzt Halbleiterfabriken in Europa entstehen, ist ein guter Fortschritt. Dass sich von den bekannten 19 Projekten elf in Deutschland abspielen, ist auch ein wichtiges Zeichen für die Leistungsfähigkeit des deutschen Wirtschaftsstandortes.

Aber insgesamt geht es darum, dafür zu sorgen, dass die Vorstellung zentral ist, dass die Zukunft mit uns ist, dass wir vorn dabei sein werden in einer Welt, die nicht wie heute acht Milliarden Einwohner, sondern zehn Milliarden Einwohner haben wird, und dass wir es in Bezug auf den Klimawandel, die Gerechtigkeit und den Zusammenhalt hinbekommen. Das ist die Antwort auf die Frage.

Also erstens: Wählen gehen! - Zweitens: An einer guten Zukunft arbeiten! - Das führt dazu, dass die Zeit der rechten Populisten, die in die Vergangenheit verliebt sind und die Gesellschaft über Spaltung und Ressentiment auseinandertreiben wollen, wieder zu Ende geht.

MP Montenegro: Bezüglich der Frage, die Sie gestellt haben, möchte ich drei Dinge sagen.

Demnächst wird es Wahlen geben, und wir sollten die Ergebnisse nicht vorwegnehmen. Wir müssen natürlich erst einmal abwarten, wie sich die Wähler entscheiden und dann die Ergebnisse interpretieren.

Der zweite Punkt: Trotz allem ist natürlich klar, dass die Extremismen auf der Rechten und auf der Linken noch nicht überwiegen, weder in Portugal noch in anderen Ländern der Welt. Wir erkennen natürlich an, dass es in der Tat auch ein Frustrationspotenzial unter den Wählern gibt, angesichts der Erwartungen, die nicht erfüllt wurden. In den Wahlen in Portugal haben wir das gesehen, aber auch in Europa. Ich denke, das, was wir tun können, ist, gut zu regieren, den Menschen eine Antwort zu geben und dafür zu sorgen, dass die Regierungen in jedem Land und die Europäische Union als Ganzes die konkrete Realität der Menschen sehen, sei es in Bezug auf den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen oder auf Lebensprojekte hinsichtlich der Chancen, der guten Jobs usw., die erfüllt werden, dass also Europa dieses Versprechen einlösen kann.

Aus diesem Grunde haben wir einen großen Teil unseres Gesprächs darauf verwandt, uns die Wettbewerbsfähigkeit Europas anzusehen, den Binnenmarkt, die Finanzierungsmechanismen und die Investitionsmechanismen, um eben mehr Reichtum zu schaffen, damit wir eine größere wirtschaftliche Kraft haben, um ein besseres soziales Wohlergehen zu schaffen. Das ist die beste Waffe gegen die Extremismen von rechts und von links.

Frage: Ich habe eine Frage zu der in der Schweiz geplanten Ukraine-Friedenskonferenz. Es ist bekannt geworden, dass US-Präsident Biden nicht persönlich an der Konferenz teilnehmen wird, sondern bei einem Wahl-"fundraiser" in Kalifornien sein wird. Zugleich haben China und Brasilien die Konferenz indirekt kritisiert, indem sie sagten, so etwas ergebe nur dann Sinn, wenn beide Seiten, also Ukraine und Russland, am Tisch säßen.

Teilen Sie die Sorge, dass die Konferenz in der Schweiz bereits im Vorfeld zum Scheitern verurteilt ist?

Wenn Sie erlauben, noch eine innenpolitische Frage: Es gibt Aufregung über ein Video, das in den sozialen Medien die Runde macht und auf dem zu sehen ist, wie junge Menschen auf Sylt in aller Öffentlichkeit und ohne Konsequenzen in der Situation ausländerfeindliche und rassistische Parolen singen. "Deutschland den Deutschen", "Ausländer raus", das ist dort zu hören.

Was sagen Sie dazu, und was kann die Politik tun, damit sich so etwas in Deutschland nicht verbreitet und Nachahmer findet?

BK Scholz: Schönen Dank für die beiden Fragen. Zunächst will ich die zweite beantworten. Es ist ganz klar: Solche Parolen sind eklig. Sie sind nicht akzeptabel. Darüber darf es kein Vertun geben. Deshalb ist es auch richtig, dass all unsere Aktivitäten darauf gerichtet sind, zu verhindern, dass sich diese Sache verbreitet.

Zweitens: Die Friedenskonferenz in der Schweiz ist ein Baustein, der sich an viele vorher verlegte Bausteine anfügt, mit den Konferenzen von außen- und sicherheitspolitischen Vertretern von Regierungen in Kopenhagen, in Dschidda, in Valetta, in Davos in der Schweiz. Es wird diese und - das ist ja angesagt - eine weitere Friedenskonferenz geben. Schon jetzt ist klar, dass es viele Teilnehmer geben wird.

Für mich ist wichtig, dass wir begreifen, dass es darum geht, zarte Pflänzchen zu gießen. Denn der Krieg, den Russland in der Ukraine begonnen hat und mit größter Brutalität fortsetzt, der jeden Tag Menschenleben kostet und in dem unglaublich viele Städte und Dörfer sowie Infrastrukturen zerstört werden, dieser Krieg kann letztendlich nur dadurch beendet werden, dass Russland einsieht, dass es Truppen zurückziehen muss, und den Beitrag leistet, der notwendig ist, um einen gerechten Frieden möglich zu machen.

Aber diese Konferenz - sie reiht sich in eine lange Reihe ein - muss dafür genutzt werden, über Fragen, die sich in diesem Friedensprozess und den diplomatischen Fragestellungen ergeben, zu sprechen, die noch nicht die große Lösung sind, sondern sich erst einmal um Fragen drehen wie die, dass keine Atomwaffen genutzt werden sollen, um die Frage der Sicherheit von Kernkraftwerken, um die Frage des Getreideexportes, des Gefangenenaustausches und viele, viele weitere Themen, die dort besprochen werden.

Unsere Hoffnung muss natürlich sein, dass, indem wir das Pflänzchen gießen, daraus mehr wird und dass es die Kraft entwickelt, dass das für das, was danach entsteht, mehr Gewicht bekommt. Ich habe es von vornherein immer so geschildert. Eine richtig bemessene Einschätzung dieser Konferenz macht es möglich, dass sie ihre Wirkung entfaltet. Dafür werbe ich sehr.

MP Montenegro: Bezüglich der Frage der Friedenskonferenz möchte ich nur noch zwei Punkte ansprechen. Portugal wird hieran auf höchster Ebene teilnehmen, weil wir denken, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um Frieden zu schaffen. Diese müssen gestärkt werden. Also muss auch diese Chance genutzt werden, um einer Situation ein Ende zu setzen, die ein Verstoß gegen die Menschenrechte und die Grundrechte der Menschen ist. Wir hoffen, dass die Teilnahme so breit wie möglich ist. Wir werden alles dafür tun, damit diejenigen, die in dieser Phase vielleicht weniger Hoffnung haben und noch zögern, teilnehmen. Denn diese Teilnahme ist wichtig.

Dann noch zu der Frage bezüglich der Haftbefehle, die mir gestellt wurde: Natürlich rede ich hier abstrakt über internationales Recht und nicht über den konkreten Fall. Ich spreche also letztlich angesichts von abstrakten Entscheidungen über diese Instrumente. Ich wollte das nur noch einmal klarstellen.