Council of Europe

04/23/2024 | Press release | Distributed by Public on 04/23/2024 08:12

Ernsthafte Menschenrechtsbedenken wegen Ruanda-Gesetz des Vereinigten Königreichs

"Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs 'Sicherheit Ruandas (Asyl und Einwanderung)' ('Safety of Rwanda [Asylum and Immigration]') durch das Parlamentdes Vereinigten Königreichs wirft ernsthafte Fragen in Bezug auf die Menschenrechte von Asylsuchenden und die Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen auf", so der Menschenrechtskommissar des Europarates,Michael O'Flaherty. "Die Regierung des Vereinigten Königreichs sollte davon absehen, Personen nach Ruanda abzuschieben, und die in diesem Gesetz enthaltene tatsächliche Verletzung der Unabhängigkeit der Justiz rückgängig machen", betonte der Menschenrechtskommissar.

"Die Steuerung von Asyl und Migration ist für die Staaten zweifellos eine komplexe Aufgabe, aber sie muss stets in voller Übereinstimmung mit internationalen Normen erfolgen. In diesem Zusammenhang bin ich besorgt darüber, dass das Ruanda-Gesetz die Umsetzung einer Politik der Abschiebung von Menschen in dieses Land ermöglicht, in den meisten Fällen ohne vorherige Prüfung ihrer Asylanträge durch die Behörden des Vereinigten Königreichs. Das Gesetz verhindert insbesondere, dass Personen, denen eine Abschiebung nach Ruanda droht, Rechtsmittel wegen möglicher Verstöße gegen das absolute Refoulement-Verbot einlegen können, während gleichzeitig die Gerichte des Vereinigten Königreichs in erheblichem Maße daran gehindert werden, die ihnen vorgelegten Fälle vollständig und unabhängig zu prüfen.

Der Gesetzentwurf wurde von der Regierung des Vereinigten Königreichs in Verbindung mit einem neuen Vertrag mit Ruanda vorgelegt, nachdem der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs im November 2023 festgestellt hatte, dass für Menschen, die nach Ruanda abgeschoben werden, die reale Gefahr besteht, dass sie unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Das Vereinigte Königreich ist nicht berechtigt, Menschen auch nur indirekt Zurückweisungsmaßnahmen zu unterwerfen, unter anderem aufgrund von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, des Abkommens der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und einer Reihe anderer internationaler Instrumente.

Der Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und Ruanda enthält zwar einige Bestimmungen zur Verhütung von Refoulement, gleichwohl unterstreicht das Urteil des Obersten Gerichtshofs, wie wichtig es ist, dass die Betroffenen eine unabhängige gerichtliche Prüfung der angeblichen Sicherheit eines Abschiebeziels beantragen können. Das Ruanda-Gesetz verhindert jedoch, dass sich Einzelpersonen in der entscheidenden Frage der Zurückweisung effektiv an Gerichte des Vereinigten Königreichs wenden können, indem es beispielsweise die Prüfung jeglicher Behauptung ausschließt, dass Ruanda nicht im Einklang mit seinen vertraglichen Verpflichtungen handelt. Der Gesetzentwurf verlangt von den Entscheidungstragenden, Ruanda als 'sicher' für eine Abschiebung zu betrachten, unabhängig von der konkreten Lage vor Ort. Er verbietet den Gerichten des Vereinigten Königreichs ausdrücklich, das Risiko, dass Ruanda Menschen in andere Länder weiterschickt, sowie die Fairness und Wirksamkeit der Asylverfahren in Ruanda zu prüfen. Die Gerichte des Vereinigten Königreichs können sich auch nicht auf die Auslegung des Völkerrechts, einschließlich der Europäischen Menschenrechtskonvention, stützen, während große Teile des Menschenrechtsgesetzes von 1998, das dieser Konvention im britischen Recht Wirkung verleiht, nicht angewendet werden. Schließlich überlässt der Gesetzentwurf einem Ministerium des Vereinigten Königreichs die Entscheidung, ob vorläufige Maßnahmen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zusammenhang mit der Abschiebung nach Ruanda befolgt werden, obwohl diese Maßnahmen verbindlich sind und ihre Nichtbefolgung das in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf Individualbeschwerde untergräbt.

Die Verabschiedung des Ruanda-Gesetzes ist ein weiteres Beispiel für die anhaltende Tendenz zur Externalisierung der Asyl- und Migrationspolitik in Europa, die im Hinblick auf das globale System zum Schutz der Rechte von Flüchtlingen Anlass zur Sorge gibt. Dies ist eine Frage, die ich als Menschenrechtskommissar des Europarates genau verfolgen werde."