FRA - European Union Agency for Fundamental Rights

03/26/2024 | Press release | Distributed by Public on 03/26/2024 08:39

Europäischer Haftbefehl: grenzüberschreitende Achtung der Rechte

Press Release
26 March 2024

Europäischer Haftbefehl: grenzüberschreitende Achtung der Rechte

Valerii Evlakhov © adobestock.com, 2024
Mit dem Europäischen Haftbefehl können Straftäter, die sich in einen anderen Mitgliedsstaat absetzen wollen, vor Gericht gestellt werden. Wie im jüngsten Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) dargelegt, gibt es jedoch praktische Herausforderungen bei der Gewährleistung der uneingeschränkten Achtung der Rechte der Betroffenen. In diesem Bericht werden Wege aufgezeigt, wie das Recht auf faire Behandlung, auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen, auf Belehrung und Unterrichtung sowie auf Rechtsberatung gewährleistet werden kann.

In dem Bericht European Arrest Warrant Proceedings (Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls) werden die Rechte von Beschuldigten - Personen, gegen die ein Haftbefehl ergangen ist - sowie die Anwendung dieser Rechte in der Praxis untersucht. Dabei kann es sich um Verdächtige oder Verurteilte handeln, die aus dem Mitgliedstaat geflohen sind. In dem Bericht wird das Vorgehen im Ausstellungsland und im Vollstreckungsland eines Haftbefehls beleuchtet. Darin werden die realen Herausforderungen sowie die Art und Weise aufgezeigt, wie die Länder diesen Herausforderungen begegnen, und Verbesserungen vorgeschlagen:

  • Achtung der Rechte - Gegenseitiges Vertrauen und gegenseitige Anerkennung der nationalen Justizsysteme sind für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wichtig. Dies kann jedoch dazu führen, dass die Justiz persönliche Umstände wie Erkrankungen, die familiäre Situation oder die Haftbedingungen im Ausstellungsland außer Acht lässt. Die Länder sollten die weiterreichenden Auswirkungen grenzüberschreitender Überstellungen im Einzelfall prüfen, wenn sie über eine Auslieferung entscheiden, oder sogar Alternativen in Betracht ziehen, um die Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten, ohne den Haftbefehl anzuwenden.
  • Recht auf Rechtsberatung - Personen sollten sowohl in dem Land, in dem sie festgenommen werden, als auch in dem Land, das den Haftbefehl ausgestellt hat, Rechtsbeistand erhalten. In der Praxis werden ihnen häufig Pflichtverteidiger zur Verfügung gestellt. Ihr Recht, einen Rechtsbeistand frei zu wählen, kann durch mangelndes Wissen und die Fähigkeit, im Land der Festnahme selbst einen Anwalt zu bestellen, beeinträchtigt sein. Für Angehörige der Rechtsberufe kann es unklar sein, ob auch im Ausstellungsland Rechtsanwälte bestellt werden müssen. Den Beschuldigten ist entweder ihr Recht auf einen Anwalt nicht bekannt oder sie erhalten keine Hilfe bei der Suche nach einem Anwalt. Die Länder sollten rechtliche und polizeiliche Schulungen sowie Leitlinien zu allen Aspekten des Haftbefehls anbieten. Die Länder sollten auch Listen von Anwälten mit Erfahrung im Bereich Haftbefehle erstellen und zur Verfügung stellen, damit die Beschuldigten diese frühzeitig konsultieren können.
  • Recht auf Belehrung und Unterrichtung - Beschuldigte werden in der Regel über ihre Rechte und den Grund für den Haftbefehl informiert. Es kann jedoch sein, dass Sie verspätet unterrichtet werden oder die bereitgestellten Informationen nicht vollständig verstehen. Dies zeigt den Bedarf an vereinfachten Informationen, in denen auf juristischen Fachjargon verzichtet wird. Durch Schulungen, Checklisten und Leitlinien könnte sichergestellt werden, dass Polizei und Angehörige der Rechtsberufe die festgenommenen Personen belehren und unterrichten, damit die Beschuldigten das Verfahren vollständig verstehen.
  • Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen - Beschuldigte haben in der Regel Zugang zu Dolmetschern und Übersetzungen, häufig ist jedoch die Qualität unzureichend. Teilweise ist dies auf kurze Fristen und die Schwierigkeit zurückzuführen, Übersetzer für weniger verbreitete Sprachen zu finden. Die länderübergreifende Zusammenarbeit bei Dolmetschern und Übersetzern und die Einführung von Qualitätskontrollen könnten das Verständnis der Verfahren verbessern.

Der Rat der EU ersuchte die FRA, auf früheren Forschungsarbeiten der Agentur aufzubauen. Diese stützen sich auf Sekundärforschung und Interviews mit Angehörigen der Rechtsberufe sowie mit Personen, gegen die ein Haftbefehl ergangen ist.

Hierzu FRA-Direktor Sirpa Rautio:

"Der Europäische Haftbefehl ist ein wichtiges Instrument für die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung. Er ist Teil des Systems, das wichtige Schutzmechanismen enthält, um sicherzustellen, dass die Rechte von Personen, gegen die ein Haftbefehl ergangen ist, gewahrt werden. Theorie und Praxis stimmen jedoch manchmal nicht überein. In diesem Bericht wird aufgezeigt, wie Gerichte und Polizei sicherstellen können, dass Personen, gegen die ein Haftbefehl ergangen ist, uneingeschränkten Zugang zur Justiz und ein faires Verfahren erhalten."

Weitere Informationen erhalten Sie unter: [email protected] / Tel.: +43 1 580 30 653