German Federal Government

05/08/2024 | Press release | Archived content

Regierungspressekonferenz vom 8. Mai 2024

Sprecherinnen und Sprecher
• Staatssekretär Hebestreit
• Wagemann (BMBF)
• Beckfeld (BMJ)
• Kall (BMI)
• Dr. Kalwey (BMF)
• Deschauer (AA)
• Reis (BMFSFJ)
• Ungrad (BMWK)
• Schöneck (BMZ)
• Collatz (BMVg)
• Stoltenberg (BMAS)

(Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

StS Hebestreit

Wie immer mittwochs der Bericht aus dem Bundeskabinett. Ich mache es relativ kurz.

Das Bundeskabinett hat heute den Berufsbildungsbericht 2024 beschlossen. Er gibt immer einen Überblick über das abgeschlossene Ausbildungsjahr, also in diesem Falle über das Ausbildungsjahr 2022/2023, und beschreibt sowohl langfristige Trends als auch aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen auf dem Ausbildungsmarkt.

Ein paar Ergebnisse hebe ich daraus hervor:

Die Zahl der neu abgeschlossenen dualen Ausbildungsverträge in dem abgeschlossenen Ausbildungsjahr ist um etwa drei Prozent auf 489 200 Verträge gestiegen. Das ist erst einmal ein gutes Zeichen. Allerdings bleibt das noch deutlich unter dem Vorcoronaniveau. Das sind im Vergleich zum Jahr 2019 immer noch etwa 35 900 Verträge weniger. Nach Rückgängen in den Vorjahren ist die Nachfrage der Jugendlichen nach einer dualen Ausbildung im Vergleich zum Vorjahr erfreulicherweise gestiegen, und zwar um 3,2 Prozent.

Auch das Ausbildungsangebot hat sich im vergangenen Jahr erhöht, und zwar im Vergleich zum Vorjahr in nahezu gleicher Weise, nämlich um 3,4 Prozent. Das Angebot übertraf also zum zweiten Mal in Folge die Nachfrage der Jugendlichen. Die Herausforderungen für Betriebe, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, haben also weiter zugenommen. Insgesamt blieben im Berichtszeitraum 73 400 Stellen unbesetzt. Das sind 6,6 Prozent mehr als im Jahr 2022.

Ebenfalls weniger gut: Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die gänzlich unversorgt geblieben sind, wuchs auf 26 400 Männer und Frauen an. Das sind 16,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt also, dass die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt merklich zugenommen haben.

Angesichts dieser Herausforderungen sind alle Akteure auf dem Ausbildungsmarkt gefordert, gemeinsam die berufliche Bildung weiter zu stärken. Eine ausreichende Versorgung des Arbeitsmarktes mit gut aus- und weitergebildeten Fachkräften kann nur mit einer starken beruflichen Bildung und einer attraktiven dualen Ausbildung gelingen.

Die zuständige Bildungsministerin hat meines Wissens nach dem Kabinett schon einen O-Ton dazu abgegeben.

So weit mein heute sehr knapper Bericht aus dem Kabinett.

Ich schließe die öffentlichen Termine des Bundeskanzlers direkt an, heute ausnahmsweise am Mittwoch, weil am Freitag keine PK stattfinden wird.

Der Bundeskanzler wird in der kommenden Woche, am Montag, den 13., und am Dienstag, den 14. Mai, auf Einladung des schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson zum Treffen der nordischen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten nach Schweden reisen.

Am Montag ist ein gemeinsames Treffen mit den Regierungscheffinnen und Regierungschefs aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden geplant. Im Rahmen dieses Treffens wird ein gemeinsamer Firmenbesuch bei Ericsson stattfinden. Eine gemeinsame Pressekonferenz mit allen ist für 17.30 Uhr geplant. Anschließend werden der Bundeskanzler und die nordischen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gemeinsam zu Abend essen.

Am Dienstag, den 14. Mai, werden der Bundeskanzler und der schwedische Ministerpräsident Kristersson dann bilaterale Gespräche führen. Geplant ist außerdem ein gemeinsamer Besuch des Innovationsclusters Norrsken. Eine gemeinsame Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche ist für etwa 11.25 Uhr geplant. Zudem werden die beiden Regierungschefs eine Aktualisierung der bilateralen Innovationspartnerschaft unterzeichnen.

Die nordischen Staaten sind enge Partner in der Europäischen Union und im atlantischen Bündnis, zu dem seit Beitritt von Finnland und Schweden nun alle nordischen Staaten gehören. Im Mittelpunkt der Gespräche werden daher sicherlich die Sicherheitslage in Europa, die gemeinsamen Anstrengungen zur Stärkung von Verteidigung und Abschreckung sowie die Unterstützung der Ukraine stehen. Auch die zivile Resilienz unserer Staaten und Gesellschaften gegen hybride Bedrohungen soll Thema werden. Im bilateralen Teil am Dienstag wird es auch um die enge Partnerschaft zwischen Deutschland und Schweden gehen, außerdem um Fragen wie die Europapolitik und die Wirtschaftspolitik.

Am kommenden Mittwoch, den 15. Mai, tagt wie üblich um 11 Uhr das Bundeskabinett unter Leitung des Bundeskanzlers. Es handelt sich dabei - das geht an die Statistiker unter Ihnen - um die 100. Sitzung in dieser Legislaturperiode.

Danach empfängt der Bundeskanzler den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu einem Gespräch. Der Austausch findet von 12 Uhr bis 13.30 Uhr im Bundeskanzleramt statt, und zwar im Rahmen eines Mittagessens. Im Anschluss wird der Sachverständigenrat hier in der Bundespressekonferenz sein Frühjahrsgutachten vorstellen.

Von 14 Uhr bis 15 Uhr - wir sind immer noch am Mittwoch - ist der Bundeskanzler dann beim IHK-Tag 2024 der Deutschen Industrie- und Handelskammer im Haus der Deutschen Wirtschaft hier in Berlin zu Gast. Der IHK-Tag steht in diesem Jahr unter dem Motto #GemeinsamFachkräfteSichern. Der Kanzler wird dort eine Rede halten und Fragen aus dem Publikum beantworten.

Die Fachkräftesicherung, die bei der Veranstaltung im Mittelpunkt steht, ist ein zentraler Baustein, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Die Bundesregierung hat mit ihrer Fachkräftestrategie die Rahmenbedingungen verbessert, um Unternehmen bei der Aus- und Weiterbildung sowie bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte und Auszubildender zu unterstützen. Auch Geflüchtete, die in Deutschland leben, sind ein enormes Potenzial, um dem Arbeits- und Fachkräftemangel hierzulande entgegenzuwirken. Die Berufsausbildung junger Menschen in innovativen Berufen und mit modernen Technologien liegt dem Bundeskanzler ganz besonders am Herzen. Daher wird er sich nach seiner Rede bei einem Rundgang über den Markt der Möglichkeiten über besondere Ausbildungsprojekte der Industrie- und Handelskammern informieren, unter anderem zur Schulung junger KI-Scouts, zur Gewinnung junger Vietnamesinnen und Vietnamesen für eine Ausbildung in Deutschland und über eine Zusatzqualifikation für Wasserstofftechnologien.

Nach diesem Termin - wir sind immer noch am Mittwochnachmittag - wird der Bundeskanzler um 16 Uhr die Bundespräsidentin der Schweiz, Viola Amherd, im Bundeskanzleramt empfangen. Bei den Gesprächen werden voraussichtlich bilaterale, europäische und internationale Themen im Mittelpunkt stehen. Für 17.30 Uhr ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Am Donnerstag, den 16. Mai, wird der Bundeskanzler ab 15 Uhr an der Verabschiedung von Professor Hasso Plattner in der SAP-Arena in Mannheim teilnehmen. Prof. Plattner hat den Weltkonzern SAP mitbegründet, wie Sie wissen, die Geschicke des Unternehmens zuletzt viele Jahre als Aufsichtsratsvorsitzender gelenkt und verabschiedet sich nun, Mitte Mai, von seinen Tätigkeiten für SAP. Bei der Veranstaltung wird der Kanzler eine Rede halten. Zuvor spricht er ab 14 Uhr mit Betriebsräten von SAP.

Am Freitag der kommenden Woche schließlich - das ist der 17. Mai - wird der Bundeskanzler um 13.30 Uhr die Staatspräsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, im Bundeskanzleramt empfangen. Im Mittelpunkt ihres Gesprächs werden neben Fragen der bilateralen Beziehungen und dem Weg Moldaus in die Europäische Union selbstverständlich auch außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitische Themen sowie voraussichtlich auch die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die Republik Moldau stehen. Nach dem Gespräch ist für 14.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Frage

Was die Ausbildung in den Betrieben angeht, ist 2022, meine ich, ein Tiefstand erreicht worden. Nur etwas über 18 Prozent der Betriebe bilden überhaupt noch aus. 30 Prozent der Ausbildungsverträge wurden vorzeitig aufgelöst. Wie bewertet die Bundesregierung das? Welches sind die Ursachen dafür, und wie kann Abhilfe geschaffen werden?

StS Hebestreit

Dazu würde ich das zuständige Fachressort bitten, zu antworten.

Wagemann (BMBF)

In der Tat ist ein relativ hoher Anteil an Menschen festzustellen, die ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig auflösen, was letztlich eine Folge der für die Bewerber in gewisser Hinsicht besseren Arbeitsmarktlage ist, weil sie leichter auch woanders eine Stelle finden. Das zeigt, dass es umso wichtiger ist, berufliche Orientierung anzubieten, auch schon sehr früh, möglichst schon in der Schulzeit. Es ist ein Schwerpunkt der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung, unter deren Dach wir sehr viele Fördermaßnahmen vereinen, dass man frühzeitig und auf sehr modernen Wegen versucht, Schülerinnen und Schülern eine fundierte Entscheidung zu erleichtern, welchen Beruf sie wählen, um dann auch in dieser Ausbildung zu bleiben, die sie begonnen haben. Insgesamt zeigt die Lage, dass auch angesichts des Fachkräftemangels die berufliche Bildung weiterhin gestärkt werden und die Berufsorientierung weiterhin eine große Rolle spielen muss.

Zusatzfrage

Die erste Frage war, woran es liegt, dass weniger als 20 Prozent der Betriebe überhaupt noch ausbilden, wenn der Fachkräftemangel da ist. Was hören Sie von der Unternehmerseite als Begründung dafür?

Wagemann (BMBF)

Diese Frage müssten Sie natürlich in erster Linie an die Unternehmerseite selbst stellen.

Zusatz

Ich frage Sie. Sie sprechen ja mit denen darüber, und Sie müssen Erklärungen von denen haben. Da interessiert mich, was bei Ihnen ankommt.

Wagemann (BMBF)

Wir sprechen mit ihnen, aber ich will nicht für sie sprechen. Das überlasse ich ihnen gern selbst. Aber es ist in der Tat auch eine Aufgabe der Wirtschaft selbst, gegen diese Zahlen anzugehen. Eine Schwierigkeit könnten sicherlich die Passungsprobleme sein, die auch der Regierungssprecher erwähnt hat, also die Frage, wie das Angebot, das es gibt, noch besser zugeschnitten werden kann, sodass es auch Bedürfnissen und Erwartungen der Bewerber entspricht.

Frage

Herr Hebestreit, wie steht die Bundesregierung zu einer Pflicht für Unternehmen, auszubilden, vielleicht ab einer bestimmten Größe?

Sie hatten jetzt auch nicht erzählt, dass während der Ampel jetzt in der Altersgruppe zwischen 20 und 34 mittlerweile 19,1 Prozent der Menschen ohne Berufsabschluss sind. Das ist ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.

StS Hebestreit

Ich habe ja gesagt, dass ich einzelne Erkenntnisse aus diesem Bericht und nicht den vollständigen Bericht dargelegt habe oder darlegen werde. Dazu würde ich auch immer an das Fachressort und an die Fachministerin verweisen. Das ist die Antwort auf den zweiten Punkt.

Zum ersten Punkt: Erinnern Sie mich noch mal kurz, was Sie fragten?

Zusatzfrage

Da ja immer weniger Unternehmen ausbilden - - -

StS Hebestreit

Ach so, die Ausbildungspflicht! Mir sind keine Pläne darüber bekannt, dass wir in eine solche Richtung denken. Was der Bundeskanzler, was sicherlich auch alle Bundesministerinnen und -minister bei ihren zahlreichen Kontakten und Besuchen in Unternehmen tun, ist, immer wieder auf den Wert der dualen Ausbildung hinzuweisen. Die Unternehmen, bei denen ich an den Besuchen teilnehme, schätzen diese duale Ausbildung. Das ist auch etwas, was uns in Auslandsreisen immer wieder begegnet, wie großer Wert die Deutschen auf das duale - das ist ja sehr einmalig in der Welt - Ausbildungssystem legen. Insofern: Die Klage über den Fachkräftemangel in Deutschland einerseits und ein geringer werdendes Engagement bei der Ausbildung andererseits passen schlecht zusammen, und insofern werben wir da stärker dafür. Aber eine Pflicht ist im Augenblick nicht angedacht.

Zusatzfrage

Welche Verantwortung hat denn die Ampel dafür, dass es jetzt eine Zunahme gab unter jungen Menschen ohne Berufsabschluss?

StS Hebestreit

Auch da muss ich das Fachressort bitten.

Wagemann (BMBF)

Ich möchte zunächst ergänzen: Gerade für diese Gruppe hat das Kabinett im Februar ein neues Gesetz beschlossen, das mein Lieblingstitel unter den Gesetzgebungsdingen ist: Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz. Dieses Gesetz ist genau darauf ausgerichtet, dass man Menschen ohne Abschluss, die aber trotzdem schon längere Zeit in einem bestimmten Beruf tätig sind, eine zweite Chance gibt, dass sie einen Abschluss nachholen können oder dass ihre Kompetenzen anerkannt werden, natürlich ohne dass das mit dem von Leuten gleichgestellt wird, die ganz regulär eine Ausbildung mit Abschluss machen. Aber gerade dieses Gesetz soll mit Abhilfe schaffen, um den Menschen ohne Berufsabschluss eine zweite Möglichkeit zu eröffnen.

Zusatzfrage

(zum Gespräch mit dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage) Herr Hebestreit, wird der Kanzler vielleicht über die Causa Grimm mit den Wirtschaftsweisen reden? Da sind sich ja vier oder fünf einig, dass das, was Frau Grimm als Nebentätigkeit macht, 100 000 Euro, verdient in Aufsichtsräten, nicht mit dem Mandat der Wirtschaftsweisen zusammenhängt. Wie hat sich der Kanzler da positioniert?

StS Hebestreit

Der Kanzler hat sich für die gesamte Bundesregierung in dieser Causa so positioniert, dass es ein unabhängiger Sachverständigenrat ist, der unter Eigenregie agiert, und diese Eigenregie und diese Unabhängigkeit muss auch erhalten bleiben, und insofern muss das der Rat miteinander verhackstücken, und da hält sich die Bundesregierung raus. So haben wir es auch hier in den verschiedenen Stellungnahmen der letzten Wochen - oder es ist schon fast einige Monate her - gehalten, und so werden wir es weiter halten.

Zusatzfrage

Aber kann man unabhängig sein als Wirtschaftsweise, wenn man gleichzeitig in Aufsichtsräten von Konzernen sitzt, die bestimmte Interessen haben?

StS Hebestreit

Das ist etwas, was der unabhängige Sachverständigenrat in Eigenregie miteinander klären muss, und die Bundesregierung achtet die Unabhängigkeit dieses Sachverständigenrates.

Frage

(zum Empfang der Bundespräsidentin der Schweiz) Herr Hebestreit, erwartet sich der Kanzler neue Erkenntnisse zu der Ukrainekonferenz, die in der Schweiz geplant ist, und gibt es Signale aus Peking - was ist da der jüngste Stand? -, ob China da teilnimmt?

StS Hebestreit

Über die genau Teilnehmerzahl - es ist ja auch noch ein bisschen hin - kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Sie wissen, dass der Bundeskanzler bei seinem Chinabesuch vor gut drei Wochen ausführlich auch mit dem chinesischen Staatspräsidenten darüber gesprochen hat. Man hat sich auch im Nachhinein auf vier wichtige Punkte verständigt, die sowohl von China als auch von Deutschland geteilt werden und die auch womöglich Kernpunkte eines Kommuniqués zum Abschluss dieser ersten Friedenskonferenz sein könnten. Ob es darüber hinaus Überlegungen Chinas gibt, daran teilzunehmen, das entzieht sich meiner Kenntnis im Augenblick. Insofern ist das der Stand, den ich Ihnen übermitteln kann.

Was jetzt das Treffen mit der Bundespräsidentin der Schweiz angeht, das mag da auch eine Rolle spielen. Da kann ich den Gesprächen nicht vorgreifen. Aber die Schweiz ist natürlich der Ort, an dem es stattfindet. Die Gespräche laufen zwischen den nationalen Sicherheitsberatern vieler beteiligter Länder, auch aus dem globalen Süden, aus der Ukraine selbstverständlich, aus westlichen Ländern und anderswo.

Frage

(zur Verabschiedung von Professor Hasso Plattner) Wird der Kanzler irgendwie die Vermögensungleichheit und Vermögensbesteuerung ansprechen? Ich meine: Herr Plattner ist einer der reichsten Milliardäre, der reichsten Menschen im Land.

StS Hebestreit

Das kann ich mir nicht vorstellen, dass das bei der Abschlussfeier zum Wirken von Herrn Plattner eine Rolle spielen wird. Aber es gilt immer

Zusatzfrage

Wo, wenn nicht dann?

StS Hebestreit

das gesprochene Wort, Herr Kollege, und insofern kann ich Sie nur auf die Veranstaltung nächste Woche, Donnerstag, verweisen.

Vorsitzender Leifert

Dann wären wir jetzt bei den langfristigen Terminankündigungen.

StS Hebestreit

Das ist nur ein Termin, aber er ist uns doch relativ wichtig, und deshalb will ich an dieser Stelle schon darauf hinweisen. Es geht um die übernächste Woche. Wir feiern in diesem Jahr ja gleich mehrere für unsere Demokratie wichtige Jubiläen. Am 23. Mai 2024 wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt, und am 9. November feiern wir 35 Jahre Mauerfall. Wir läuten dieses Jubiläumsjahr mit einem großen Demokratiefest ein, das vom 24. bis 26. Mai hier in Berlin stattfinden wird, zu dem auch alle Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen sind, und wir freuen uns natürlich, wenn auch Sie als Berichterstatterinnen und Berichterstatter diese Festivitäten ebenfalls begleiten werden. Ein Akkreditierungshinweis ist bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht worden.

Das Programm ist - wie sollte es anders sein - bunt und abwechslungsreich wie die Bundesrepublik. Es wird natürlich mit Musik und Unterhaltung auch gefeiert, aber es soll vor allem miteinander gesprochen werden, über all die Themen, die uns miteinander bewegen. Im Mittelpunkt steht natürlich das Grundgesetz, das Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat. Wenn wir den Blick auf die schrecklichen Übergriffe vom Wochenende richten oder die jüngsten Vorfälle hier in Berlin, dann sehen wir, dass das Jubiläum vielleicht gerade zur richtigen Zeit kommt. Denn politisches Engagement und Ehrenamt sind elementare Dinge, die wir schützen und fördern müssen. Um den Überblick über das umfangreiche Programm zu erhalten, gibt es seit heute einen Veranstaltungskalender auf der von Ihnen sehr geschätzten Homepage der Regierung www.bundesregierung.de. Dieser Kalender ist noch nicht abschließend befüllt, da noch einiges, was das Programm betrifft, in letzten Zügen ist, bevor es dann kundgetan werden kann. Was klar ist: Die Feierlichkeiten beginnen am 23. Mai mit einem Staatsakt in Berlin, angeordnet durch den Bundespräsidenten. Tags darauf dann beginnt das Demokratiefest rund um das Bundeskanzleramt und das Paul-Löbe-Haus, also in Sichtweite der Bundespressekonferenz.

Beteiligen werden sich die 16 Länder, viele zivilgesellschaftliche Organisationen, der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, der Bundeskanzler und auch alle Bundesministerien. Gemeinsam freuen sie sich darauf, mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen und auch gemeinsam zu feiern. Ein Höhepunkt des Festes wird die große Abschlussveranstaltung am Sonntagabend sein, auf die wir uns auch alle schon bestimmt sehr freuen. Die Details zu dieser Abschlussveranstaltung dann in gut einer Woche!

Soweit für Ihre mittelfristige Lebensplanung.

Beckfeld (BMJ)

Der Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, reist vom 9. Mai bis zum 10. Mai 2024 zum Treffen der G7-Justizminister nach Venedig. Es ist das dritte Treffen der G7 in diesem Format. Ein Treffen der G7-Justizminister fand erstmalig auf Initiative von Minister Buschmann unter der deutschen G7-Präsidentschaft im November 2022 in Berlin statt.

Der Arbeitsschwerpunkt des Treffens der G7-Justizminister wird auf der Unterstützung für die Ukraine beim Wiederaufbau der Justiz liegen. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Korruption in Verwaltung und Justiz in der Ukraine wird dabei im Vordergrund stehen. Die im letzten Jahr unter japanischer G7-Präsidentschaft initiierte Anti-Corruption Task Force for Ukraine wird in Venedig unter der italienischen Präsidentschaft weitergeführt werden. Auch wird es um einen Austausch der G7-Staaten zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität gehen.

Zudem soll die G7-Venedig-Gruppe gegründet werden. Mit dieser soll ein eigenständiger Justizstrang dauerhaft innerhalb der G7 etabliert werden. Innerhalb dieses Arbeitskreises werden zukünftig justizbezogene Themen im Kreis der G7 erörtert. Die Themen werden sich flexibel und dynamisch an aktuellen Herausforderungen orientieren. Dazu gehören Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und der Austausch zum Einsatz neuer Technologien und KI in den Justizsystemen der G7-Staaten.

Frage

Aus gegebenem Anlass: Das war ein Kamerateam der Deutschen Welle, das gestern dabei war in Dresden, als die 47-jährige Grünenpolitikerin in einem Viertel bedrängt und auch bespuckt wurde. Meine Frage geht an Herrn Kall. Wir sprachen am Montag ja schon darüber hier, dass es bei der Bewertung der Delikte Gewaltdelikte und Äußerungsdelikte gibt. Sie haben uns das auch grob erklärt. Ich wüsste jetzt gerne, wie Sie das in diesem Fall, in dem die Polizei wegen Körperverletzung ermittelt, gewichten. Ist das jetzt ein Äußerungsdelikt? Ist es ein Gewaltdelikt? Wie ist da Ihre Reaktion?

Kall (BMI)

Eine Körperverletzung ist natürlich ein Gewaltdelikt und wird als solches auch erfasst dann in den Statistiken zur politisch motivierten Kriminalität. Auch dieser Fall, den Sie gerade geschildert haben, der Grünenpolitikerin dort, ist natürlich scharf zu verurteilen und ist ein weiterer Fall. Gestern hatten wir einen Angriff hier auf die Berliner Politikerin Franziska Giffey. Wir hatten einen Angriff auf die Grünenpolitikerin. Wir hatten auch Angriffe auf AfD-Politiker. Auch diese hat die Bundesinnenministerin gestern in ihrem Statement nach der Sonderinnenministerkonferenz natürlich einbezogen, weil sich diese Angriffe gegen alle Parteien richten, in unterschiedlicher Intensität, aber gegen alle, und wir haben leider eine Vielzahl dieser Fälle, und die Bundesinnenministerin hat ja davon gesprochen, dass wir eine Eskalation antidemokratischer Gewalt erleben. Der Fall, den Sie geschildert haben, fügt sich da leider ein.

Was jetzt sehr, sehr wichtig ist, sind schnelle Ermittlungserfolge, ist ein hoher Fahndungsdruck auch auf die Täter, ist, dass Täter, wie das ja in einigen Fällen jetzt auch geschieht, durch einen hohen Ermittlungsdruck sehr schnell festgenommen werden, gefasst werden, verfolgt werden, damit, wie es auch die Bundesministerin ausgedrückt hat, es ein deutliches Stoppsignal des Rechtsstaats gibt, dass diese Gewalttaten gegen diejenigen, die sozusagen für die Demokratie einstehen, die sich politisch engagieren in Deutschland, in keinem Fall rechtsstaatlich akzeptiert werden.

Vielleicht da noch ein Hinweis: Die Diskussion jetzt nach der Sonderinnenministerkonferenz geht ja ein Stück weit in Richtung auch Verschärfungen des Strafrechts. Aber wenn Sie den Beschluss lesen, der inzwischen auch veröffentlicht ist, sehen Sie, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen gegeben hat, die der Beschluss der Innenministerkonferenz von gestern Abend auch schildert, insbesondere wie an ganz vielen Stellen die Schutzkonzepte angepasst werden, die Polizeipräsenz erhöht wird, Schutzmaßnahmen getroffen werden, Sensibilisierungsmaßnahmen, damit überall auch sozusagen der Ernst der Lage klar ist und der Schutz hochgefahren wird.

Zusatzfrage

Herr Hebestreit, das ist ja auch das Thema Verrohung der Gesellschaft - so wird es zumindest auch von vielen Politikern bewertet. Wäre das auch das Stichwort, das der Kanzler dazu liefert? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun?

StS Hebestreit

Ich glaube, Herr Kall hat bereits auf die gestrige Sitzung der Innenministerinnen und Innenminister der Länder gemeinsam mit der Bundesinnenministerin hingewiesen. Das war ja eine Reaktion auf diese gewachsene Zahl an verabscheuungswürdigen Attacken, die wir erleben. Das erleben ja nicht nur Spitzenpolitiker im Bund und in den Ländern, sondern das betrifft zum Beispiel auch den Vorfall, den Ihr Kamerateam miterlebt hat. Das ist ganz viel in den Kommunen, wo die Vulnerabilität noch viel größer ist; denn die Menschen wohnen dort und sie haben dort natürlich keinen Polizeischutz - anders als bei Spitzenpolitikern -, sie haben Kinder, die dort in die Schule gehen, die in den Sportvereinen sind. Das ist alles eine Form der Einschüchterung, die sich da zum Teil bahnbricht.

Das ist dann auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das heißt nicht, dass die Sicherheitsbehörden nicht auch ihre Aufgaben zu erfüllen hätten, sondern das heißt vielmehr, dass das ein Klima der Einschüchterung bzw. in Teilen der Gewalt ist, das wir nicht akzeptieren wollen. Das sollte uns auch allen wichtig sein. Wir sind eine Demokratie, ein Rechtsstaat, und diese Demokratie lebt vom Engagement ganz vieler. Es gibt die Berufspolitiker in Spitzenämtern, aber Politik wird eben auch ganz, ganz viel von Ehrenamtlichen gemacht, die dafür viel Zeit und auch viel Freizeit hergeben. Die gehören dann aber nicht eingeschüchtert, mit Gewalt bedroht oder sogar gewalttätig attackiert. Das sollte uns im 75. Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland auch ein ganz wichtiges Anliegen sein, und das werden auch alle staatlichen Stellen, wo es irgend geht, unterstützen. Dieser Aufruf geht aber natürlich auch an uns alle, die wir 24 Stunden am Tag in diesem Land leben.

Frage

Frau Beckfeld, zur Verschärfung des Strafrechts wurden von den Innenministern gestern die Straftatbestände Nötigung und Körperverletzung genannt. Was für Möglichkeiten sehen Sie, an dieser Schraube zu drehen?

Beckfeld (BMJ)

Bundesjustizminister Buschmann hatte sich bereits gestern dazu geäußert und gesagt: Es ist richtig, dass wir uns Gedanken über bessere Schutzkonzepte und mehr Polizeipräsenz machen, aber wir dürfen nicht glauben, dass man das gesellschaftliche Problem einer allgemeinen Verrohung des politischen Diskurses mit Strafrecht allein wird lösen können. Es ist so, dass das Bundesministerium der Justiz derzeit keine offensichtlichen Strafbarkeitslücken sieht. Wir werden aber die konkret vorgelegten Vorschläge wohlwollend prüfen, und diese Prüfung dauert derzeit noch an.

Zusatzfrage

Herr Kall, stimmen Sie dazu oder gibt es da einen Dissens?

Kall (BMI)

Es gab gestern einen einstimmigen Beschluss der Innenministerkonferenz, zu dem sich die Bundesinnenministerin im Anschluss auch geäußert hat. hat. Sie hat das ja sehr deutlich gesagt mit dem Stoppsignal, das wir brauchen, und auch mit der rechtsstaatlichen Härte, die wir brauchen. Wenn es dafür Strafverschärfungen bedarf, so wie sie die Innenministerkonferenz gestern benannt hat, dann wird sie darüber, wie sie angekündigt hat, jetzt auch sehr schnell mit dem Bundesjustizminister beraten.

Frage

Herr Kall, die Tatverdächtigen im Fall Ecke wurden relativ schnell wieder sozusagen nach Hause entlassen. Zum Beispiel war die Begründung bei dem Ersten, der sich selbst gestellt hatte, dass keine Fluchtgefahr bestehe, weil er zu Hause wohne. Meine Lernfrage ist: Bestünde trotz dieser Voraussetzungen eigentlich die Möglichkeit, Tatverdächtige doch etwas länger in Haft oder in Gewahrsam zu behalten? Die Justiz ist unabhängig, aber dennoch: War das als mögliche Verfahrensweise auch ein Diskussionsthema zwischen den Innenministern?

Kall (BMI)

Ein Diskussionsthema war, dass es nach solchen Taten schnelle, spürbare Konsequenzen geben muss, dass man einen hohen Fahndungsdruck, einen hohen Ermittlungsdruck braucht und dass das auch einen entsprechenden Einsatz von Ressourcen benötigt. Auch da hat die Bundesinnenministerin gegenüber den Ländern nochmals unterstrichen, dass der Bund sie mit den Bundessicherheitsbehörden unterstützt, insbesondere auch mit einem starken Einsatz der Bundespolizei an anderen Stellen, um die Landespolizeien wiederum zu entlasten. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt haben gestern in der Sonder-IMK Lagebilder abgegeben und den Ernst der Lage beschrieben, auch anhand der aktuellen Zahlen.

Zu Ihrer konkreten Frage: Wenn ich Ihnen jetzt eine abstrakte juristische Antwort darauf gäbe, dann würden Sie die ja doch auf den Einzelfall beziehen. Es ist allein Sache der Behörden vor Ort bzw. der Staatsanwaltschaft, ob sie einen Haftbefehl beantragt oder nicht, und es ist Sache des Ermittlungsrichters am zuständigen Amtsgericht, ob ein solcher Haftbefehl erlassen wird oder nicht. Das haben wir von hier aus dann nicht zu kommentieren.

Zusatzfrage

Ist meine Laienkenntnis richtig, dass diese Tatverdächtigen bis zu 24 Stunden hätten festgehalten werden dürfen?

Kall (BMI)

Das ist alles gesetzlich geregelt. Aber wie gesagt, ich würde mich jetzt zu diesen Fragen nicht äußern wollen. Dazu können Sie sich an die Staatsanwaltschaft Dresden wenden, die ja das Verfahren führt.

Frage

Herr Kall, vor drei Tagen hatte die Ministerin - das hatten Sie auch noch einmal getwittert - davon gesprochen, dass wir jetzt eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt erleben würden. Die Ministerin ist ja auch aus Hessen. Hat sie den Mord an Walter Lübcke vergessen? War das nicht schon eine neue Dimension?

Kall (BMI)

Sie hat von einer Eskalationsspirale gesprochen - und hat das auch beschrieben - , die mit Einschüchterungsversuchen beginnt, mit Drohgebärden, mit sogenannten - das ist ein sehr zynisches Wort - Hausbesuchen, die wir bei vielen Politikerinnen und Politikern erlebt haben, die bis an ihre eigene Haustür bedroht worden sind. Deshalb wollen wir, wie die Ministerin gestern auch angekündigt hat, das Melderecht ändern, um entsprechende Adressen von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern besser zu schützen. Sie hat das als eine Eskalation in der jüngeren Entwicklung, also der letzten Monate oder vielleicht des letzten Jahres, beschrieben.

Selbstverständlich hat sie den Mord an Walter Lübcke, der sie persönlich sehr geprägt hat, nicht vergessen. Sie hat auch gestern darüber gesprochen, dass das die Fälle sind, die wir immer befürchten müssen, und hat an dieser Stelle gestern auch noch einmal die von ihr vorgeschlagene Änderung des Waffenrechts erwähnt, die das Ziel hat, Extremisten zu entwaffnen, damit wir Taten, wie wir sie jetzt erleben, nicht auch noch mit Waffen erleben. Das war ja beispielsweise aus der Reichsbürgerszene sehr konkret zu befürchten war; denn Mitglieder dieser Szene, die Abgeordnete mit Waffen angreifen wollten, stehen jetzt vor Gericht. Um so etwas zu verhindern, brauchen wir eine Waffenrechtsverschärfung. Auch darüber hat sie gestern gesprochen. Selbstverständlich sind das alles Dinge, bei denen sie auch an den ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten als schlimmstem Fall der jüngeren Geschichte denkt.

Zusatzfrage

Da schließt sich meine zweite Frage an: Es gibt ja tausende von Rechtsextremisten in Deutschland, die legal Waffen besitzen. Können Sie beziffern, wie viele von denen wurden während der Regierungszeit der Ampel mittlerweile entwaffnet? Haben Sie dazu Zahlen?

Kall (BMI)

Wir haben Zahlen, aber die habe ich jetzt nicht dabei; die reichen mir gerne nach.

Frage

Frau Beckfeld, Sie haben gesagt, was die Strafrechtsverschärfung angeht, dauere die Prüfung an. Wie lange könnte das dauern, welchen zeitlichen Rahmen haben Sie sich für die Prüfung gegeben?

Beckfeld (BMJ)

Dazu kann ich hier jetzt keine konkreten Angaben machen. Wie gesagt, es wird aktuell geprüft.

Frage

(zu den Sanktionen gegen Russland) An das Auswärtige Amt sowie eventuell an das Justizministerium und das Finanzministerium: Vor fast zwei Jahren hat die EU Rossotrudnichestvo sanktioniert. Das ist eine russische Behörde für die Verbreitung russischer Kultur im Ausland. Deren Konten wurden gesperrt. In mehreren EU-Ländern wurden daraufhin Kulturzentren der Russischen Föderation geschlossen. Warum ist das Russische Haus in Berlin immer noch offen?

Dr. Kalwey (BMF)

Das Russische Haus ist, wie Sie schon gesagt haben, unselbstständiger Teil der sanktionsgelisteten Regierungsagentur. Die Vermögenswerte des Russischen Hauses sind eingefroren.

Zur Frage der Sanktionsdurchsetzung müsste ich Sie darauf hinweisen, dass die Sanktionen von verschiedenen Behörden in Deutschland umgesetzt werden. Eine davon ist die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung, die für die Ermittlung und gegebenenfalls Sicherstellung der eingefrorenen Vermögenswerte zuständig ist. Zu konkreten Ermittlungsständen kann ich mich an dieser Stelle aber nicht äußern.

Frage

Hat das Auswärtige Amt oder die Justiz etwas dazu zu sagen?

Deschauer (AA)

Sie müssten mir noch 30 Sekunden geben, damit ich auch noch nachschauen kann.

Frage

Vielleicht frage ich solange noch beim Finanzministerium nach. - Habe ich Sie richtig verstanden, dass es Ermittlungen gibt? Das Russische Haus ist sanktioniert, aber immer noch offen?

Dr. Kalwey (BMF)

Wie gesagt, zu einzelnen Ermittlungsständen oder dazu, welche konkreten Ermittlungen gegen das Russische Haus geführt werden, kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

Deschauer (AA)

Ich kann die Ausführungen des federführenden BMF in dieser Sache vielleicht noch einmal grundsätzlich ergänzen: Das Russische Haus ist, wie Sie sagten, seit dem 21. Juli 2022 EU-weit sanktioniert, und die Bundesregierung hat sich auch für die Sanktionslistung eingesetzt. Die Listung hat für die Betreiberorganisation das Einfrieren sämtlicher in der EU gelegener Vermögenswerte zur Folge und sieht auch ein umfassendes Bereitstellungsverbot vor. Das heißt, EU-Rechtssubjekte dürfen der Organisation oder ihren verbundenen Entitäten weder direkt noch indirekt wirtschaftliche Ressourcen oder finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Diese Maßnahmen gelten weiter fort.

Zu Fragen der Sanktionsdurchsetzung - dafür ist das Auswärtige Amt nicht zuständig - habe ich über die Ausführungen der Kollegin hinaus nichts zu ergänzen.

Frage

Mir ist immer noch nicht klar, warum das Russische Haus seit eineinhalb oder fast zwei Jahren sanktioniert ist, aber immer noch offen ist, Veranstaltungen durchführt, Leute empfängt, Geld verdient und Geld ausgibt, obwohl die Konten von Rossotrudnichestvo gesperrt sind. Es müsste doch eigentlich längst zu sein, oder nicht?

Deschauer (AA)

Ich möchte nur noch einmal sagen, dass das Auswärtige Amt sich für die Bundesregierung in dieser Sache für den grundsätzlichen Tatbestand der Sanktionierung, den Sie erwähnt haben und den ich eben erläutert habe, eingesetzt hat. Die zuständigen Sanktionsdurchsetzungsbehörden - unter anderem die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung - wären aber die richtigen Adressaten, um im Detail nähere Kenntnis zu erlangen.

Dr. Kalwey (BMF)

Vielleicht kann ich noch eine Sache hinzufügen: Wie gesagt, die russischen Vermögenswerte sind eingefroren. Soweit eine Freigabe von Geldern vorgesehen ist, ist in dem Fall die Bundesbank dafür zuständig, Ausgaben zu beobachten oder zu monitoren. Darüber entscheidet, wie gesagt, die Bundesbank.

Frage

Ich habe eine Frage an das BMF und das Familienministerium. Es geht um die Familienstartzeit - im Volksmund Vaterschaftsurlaub - nach Geburt des Kindes. Diese Familienstartzeit ist vereinbart, sollte kommen, ist noch nicht in Kraft. Wir hören, es liege auch daran, dass das Finanzministerium das Geld dafür nicht freigebe. Schon seit Längerem läuft dazu ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union gegen Deutschland. An beide Häuser möchte ich die Frage stellen: Warum nehmen Sie das in Kauf, warum gibt es da noch keine Einigung?

Konkret an das BMFSFJ: Verfolgen Sie das Thema weiter, oder angesichts von Spardruck dann vielleicht in der Abwägung zu anderen Sachen nicht mehr?

Reis (BMFSFJ)

Vielen Dank für die Frage. Vielleicht fange ich einfach einmal an. - Wie Sie vielleicht wissen, wird der Referentenentwurf zum Familienstartzeitgesetz - das sagten Sie ja auch - aktuell noch zwischen den Ressorts beraten. Das betrifft eben auch die Frage des zeitlichen Ablaufs des Gesetzgebungsverfahrens. Selbstverständlich setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass die Familienstartzeit kommt. Das ist das, was ich Ihnen zum aktuellen Stand sagen kann. Wie gesagt, das sind interne Verhandlungen, und die finden zwischen den Ressorts derzeit statt.

Dr. Kalwey (BMF)

Der Kollege hat es ja gesagt: Die Ressortabstimmungen laufen, und auch ich kann das nicht kommentieren.

Zusatzfrage

Inwiefern spielt es für das BMF eine Rolle oder ist es für das BMF unwichtig, dass es ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union gibt und eigentlich angezeigt wäre, da ein bisschen Tempo zu machen?

Dr. Kalwey (BMF)

Also ich kann Ihnen auch zu diesem Vertragsverletzungsverfahren nichts sagen. Ich weiß nicht, ob der Kollege mehr dazu sagen kann, aber ich kann mich dazu nicht äußern.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Frau Deschauer, die Ministerin hat noch einmal vor einer Großoffensive Israels auf Rafah gewarnt und hat gesagt, dass die Menschen sich nicht in Luft auflösen können und dass sie Schutz und dringend humanitäre Hilfe brauchen. Die Großoffensive läuft jetzt offenbar. Welche Konsequenzen plant die Bundesregierung gegenüber Israel? Die Amerikaner haben jetzt zum Beispiel eine Bombenlieferung eingestellt. Gibt es seitens der Bundesregierung tatsächliche Konsequenzen?

Deschauer (AA)

Vielen Dank, Herr Kollege, für die Frage, in der Sie, glaube ich, verschiedene Aspekte zum Gesamtthemenkomplex ansprechen.

Wie Sie richtig sagen, hat sich die Ministerin gestern zur aktuellen Lage in Nahost und in Gaza geäußert. Sie hat dort vor einer Großoffensive gewarnt. Insofern möchte ich noch einmal auf diesen Wortlaut hinweisen, denn sie hat damit die große Sorge der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, wie bereits im Rahmen ihrer Reisen in die Region. Sie hat noch einmal verdeutlicht, dass humanitäre Hilfe und der Schutz der Menschen vor Ort dringend geboten sind, gerade in dieser schwierigen Lage, und dass jetzt auch die Grenzübergänge Rafah und Kerem Schalom unverzüglich wieder geöffnet werden müssen und zur Verfügung stehen müssen, damit dringend benötigte humanitäre Hilfe zu den Menschen gelangt.

Ich möchte hier auch noch einmal das Gebot der Stunde erläutern: Wie wir schon am Montag besprochen hatten, wird im Moment alles dafür getan wird, dass es eben nicht zu einer groß angelegten Offensive oder Großoffensive auf Rafah kommt. Die Gespräche und die Verhandlungen um einen möglichen sogenannten Geiseldeal, der ermöglichen würde, dass zunächst eine humanitäre Feuerpause stattfinden würde, mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineingelangen würde und gleichzeitig die verbleibenden über 100 Geiseln in Freiheit gelangen könnten, sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig.

Zusatzfrage

Vielen Dank, dass Sie keine der Fragen, die ich gestellt habe, beantwortet haben. Ich wollte wissen, welche Konsequenzen Sie jetzt ziehen. Die Offensive läuft ja.

Warum betonen Sie immer, dass es keine Großoffensive geben soll? Letzte Woche war ja immer die Rede davon, dass es keine groß angelegte Offensive geben soll. Ist das, was seitens der Israelis aktuell in Rafah läuft, aus Ihrer Sicht eine kleine, mittlere oder große Offensive?

Deschauer (AA)

Herr Kollege, ich werde jetzt nicht anfangen, mit Ihnen hier in semantische Spiele einzusteigen. Ich sage vielmehr das, was wir für die Bundesregierung - die Außenministerin und auch wir an dieser Stelle, aber auch andere Regierungsmitglieder - bereits in der Vergangenheit betont haben: Es ist wichtig, dass es keine groß angelegte Offensive - Sie können das Wort "angelegte" auch in Klammern setzen, also Großoffensive oder groß angelegte Offensive - gibt. Es geht darum, dass jetzt in dieser Stunde alles dafür getan werden muss, dass das just nicht passiert. Die Bundesregierung ist in dieser Angelegenheit in den Gesprächen, die stattfinden, sehr engagiert, und das war sie auch auf den vergangenen Reisen. Es geht natürlich auch darum, dass das, was dringend notwendig ist, nämlich dass Hilfe zu den Menschen nach Gaza kommt, wieder ermöglicht werden kann. Denn wir haben jetzt ja erlebt, dass Grenzübergänge vorübergehend geschlossen wurden, und diese Hilfe muss dringend wieder hineingelangen.

Frage

Frau Deschauer, zum Stichwort Geiseldeal: Die Hamas hat am Montag ihre Zustimmung zu dem Deal gegeben, Israel hat ihn abgelehnt. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Deschauer (AA)

Vielen Dank, Herr Kollege, für diese Frage, denn wir sprachen auch schon über den Geiseldeal bzw. über die Gespräche, die hierzu laufen. Es ist so, dass jetzige Informationslage, um welche Elemente, Überlegungen oder mögliche Vereinbarungen es sich im Einzelnen handelt, in der öffentlichen Darstellung doch auch etwas divergiert. Insofern: Ich sitze jetzt wie Sie hier in Berlin, und eine abschließende Bewertung von laufenden Gesprächen, in denen intensiv darum gerungen wird, dass es zu einer Vereinbarung kommt, würde ich von dieser Stelle aus im Moment nicht vornehmen.

Für die Bundesregierung, für die Außenministerin ist es wichtig, dass diese Gespräche weitergehen und möglichst zu einem Ergebnis führen können; denn dieses Ergebnis ist ja unmittelbar mit der Möglichkeit verbunden, dass wieder mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineingelangt und es auch zu einer humanitären Feuerpause kommen kann, mit der Perspektive, auch in einen politischen Prozess einzusteigen.

Zusatzfrage

Sie haben die Hamas in der Vergangenheit ja immer kritisiert, wenn sie einen Geiseldeal abgelehnt hat. In diesem Fall kritisieren Sie aber Israel nicht. Das Töten geht jetzt weiter, aber so ein Deal hätte das Töten ja stoppen können. Deshalb noch einmal die Frage: Kritisieren Sie Israel dafür oder unterstützen Sie Israel?

Deschauer (AA)

Ich würde es gerne noch einmal einordnen, wie ich es bereits am Montag getan habe und auch eben bereits erläutert habe, und in einen Kontext stellen. Wir erleben weiterhin einen bewaffneten Angriff der Hamas auf Israel, und zwar ganz unmittelbar in den vergangenen Tagen mit dem zynischen Beschuss von Kerem Schalom, also dem Ort, an dem dringend benötigte humanitäre Hilfe zu den Menschen gelangen kann bzw. bisher gelangen konnte oder zumindest auf dem Weg war, verstärkt dort durchzugelangen. Wir erleben eine Situation, in der weiter über hundert Menschen in Geiselhaft sind. Wir erleben aber auch eine Situation, in der sich ungefähr zwei Millionen Menschen in Gaza in einer furchtbaren Situation befinden und in der sehr viele von ihnen dringendst auf humanitäre Hilfe in viel größerem Ausmaß angewiesen sind, als diese im Moment erfolgt.

Insofern geht es doch darum, jetzt alles dafür zu tun - und zwar in wechselseitigen Anstrengungen von beiden Seiten -, dass die Gespräche fortgeführt werden, um zu einer Lösung zu kommen, um einen Geiseldeal zu erreichen, damit eben Geiseln befreit werden können, aber auch die humanitäre Hilfe zu den Menschen kommt.

Frage

Ich möchte noch einmal zu der Frage von Herrn Kollegen zurückkommen und da nachhaken: Welche konkreten Bemühungen führt die Bundesregierung, um die Militäroperation in Rafah zu stoppen? Hat sie die Möglichkeit, das zu tun?

Der UN-Generalsekretär hat Israel dazu aufgefordert, die Operation zu stoppen. Würde Deutschland weiter Waffen nach Israel schicken, falls dies nicht geschieht?

Deschauer (AA)

Sie haben jetzt ebenfalls verschiedene Fragenaspekte verquickt, über die wir hier auch schon verschiedentlich gesprochen haben. Ich fange einmal von hinten an.

Wie Sie wissen, haben wir die Pressemeldungen zur Kenntnis genommen; die haben wir von dieser Stelle aus aber nicht zu kommentieren, und ich möchte das auch am heutigen Tag nicht tun. Wie Sie wissen, würde vermutlich eigentlich die Kollegin des BMWK in dieser Fragestellung antworten, da das BMWK da federführend ist, aber die politische Einordnung haben wir hier ja bereits mehrfach vorgenommen. Im Grundsatz sind Waffenlieferungen, egal wo, Einzelfallentscheidungen der Bundesregierung, und insofern möchte ich darüber nicht weiter hinausgehen.

Weil Sie fragten, was die Bundesregierung mit Blick auf Rafah tue: Ich möchte gerne noch einmal erläutern, dass die Bundesregierung einer der größten, wenn nicht der größte Unterstützer von humanitärer Hilfe für die notleidenden Menschen in den palästinensischen Gebieten und insbesondere in Gaza ist. Die Bundesregierung ist intensivst engagiert in all ihren politischen, diplomatischen Kontakten und in der intensiven Krisen- und Reisediplomatie der Außenministerin, die auch noch durch Gespräche auf anderen Ebenen flankiert wird. Die Sonderbeauftragte der Außenministerin für humanitäre Hilfe für den Nahen Osten ist erneut in die Region aufgebrochen. Das heißt, wir versuchen, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit wir besser Hilfe zu den Menschen bekommen.

Insbesondere ist es natürlich so, dass derzeit ca. eine Million Menschen in Rafah Schutz suchen. Sie sind in einer prekären Versorgungslage. Im Rahmen der letzten Evakuierungsanordnung hatte die israelische Armee mit 100 000 zu evakuierenden Personen gerechnet. Sollte dort jedoch eine Großoffensive vonstattengehen, dann würde so eine Größenordnung vermutlich nicht annähernd reichen. Auch wenn wir immer wieder hören, dass es ein Bekenntnis zum effektiven humanitären Schutz der Zivilisten in Gaza gebe, so drängt die Bundesregierung in all den Gesprächen und Initiativen darauf, dass dieser Schutz auch wirklich effektiv ist und es nicht bei Absichtserklärungen bleibt.

Zu Ihrer ersten Frage würde ich vielleicht noch an die Kollegin abgeben.

Ungrad (BMWK)

Ich kann das nur bestätigen: Was die Genehmigungspraxis der Bundesregierung angeht, gilt ja, dass die Bundesregierung über die Erteilung von Rüstungsexportgenehmigungen im Einzelfall und im Licht der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung und nach rechtlich-politischen Vorgaben einschließlich der Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen entscheidet.

Was schon erteilte Genehmigungen für Lieferungen angeht, auch nach Israel, informieren wir ja seitens der Bundesregierung in regelmäßigen Pressemitteilungen und antworten auch auf parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung. Auch was Israel betrifft kann ich Sie hier auf unseren Antworten auf parlamentarische Anfragen verweisen.

Frage

An Frau Ungrad und vielleicht auch an Herrn Hebestreit: Gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, Waffenlieferungen an Israel auszusetzen?

Ungrad (BMWK)

Ich beginne einmal. - Wie gesagt, das entscheidet die Bundesregierung gemeinsam im Einzelfall Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann informieren wir darüber, aber nicht, wenn wir über diese Fälle beraten. Über das, was wir schon getan haben beziehungsweise nicht getan haben, informieren wir in Pressemitteilungen oder auch in parlamentarischen Anfragen, die Sie auch einsehen können.

Zusatzfrage

Herr Hebestreit, was denkt denn der Kanzler dazu?

StS Hebestreit

Da habe ich dem, was die Kollegin für den Wirtschaftsminister erklärt hat, nichts hinzuzufügen. Da agiert die Bundesregierung, wie in allen Belangen, sehr einheitlich.

Frage

Frau Deschauer, Sie haben dem Beschuss von Kerem Schalom angesprochen. Es gibt Presseberichte, denen zufolge nicht der Grenzübergang angegriffen und beschossen worden sei, sondern eine Militärunterkunft der IDF. Ist diese Information korrekt?

Deschauer (AA)

Vielen Dank, Herr Kollege, für diese Frage. - Sie wissen, dass es natürlich von dieser Stelle aus nur bedingt möglich ist, die verschiedenen und teils auch unterschiedlichen Medienberichterstattungen im Einzelnen nachzuvollziehen, ganz davon zu schweigen, sie zu verifizieren. Ich glaube, was in der jetzigen Situation wichtig ist, ist, dass die Schließung von Kerem Schalom - man muss ja nämlich sagen, dass der Beschuss dieses Areals zur vorübergehenden Schließung des Grenzübergangs und damit zu einer Lage geführt hat, die die Situation der Menschen im Gazastreifen natürlich erschwert - aufgehoben werden muss. Das hat die Außenministerin auch betont. Das ist besonders wichtig, damit die Not leidenden Menschen nämlich wieder entsprechend versorgt werden können.

Zusatzfrage

Israel berichtet, dass seit etwa fünf Stunden der Grenzübergang wieder geöffnet sei. Ist das Ihr Kenntnisstand? Ich frage, weil Sie eben sagten, die Schließung müsse aufgehoben werden.

Deschauer (AA)

Es verhält sich etwas ähnlich wie bei der Beantwortung des ersten Teils Ihrer Frage. Wir haben auch hierzu verschiedene Medienberichte zur Kenntnis genommen, auch, dass die israelische Armee angekündigt hat, und zwar heute, den Grenzübergang wieder für humanitäre Lieferungen zu öffnen. Dies ist dringend notwendig. Das fordern wir. Abschließende, quasi stundenaktuelle Erkenntnisse habe ich im Moment nicht, aber wir hoffen, dass das sehr bald vonstattengehen wird, denn wir drängen auch darauf.

Frage

Frau Deschauer, Sie haben jetzt ein paarmal "sollte es zu einer Großoffensive kommen" gesagt. Was ist denn das, was die Israelis aktuell in Rafah machen, aus Ihrer Sicht, eine kleinere oder eine mittlere Offensive?

Vorsitzender Leifert

Die Frage hatten wir hier schon.

Zusatz

Ja, hat sie ja nicht beantwortet!

Deschauer (AA)

Ich habe die Frage so beantwortet, Herr Kollege, dass ich mit Ihnen keine Semantikspiele spiele, und habe Ihnen das sogar erläutert. Es gibt auch darüber Medienberichte, dass militärisches Vorgehen bzw. militärische Operationen - ich glaube, es geht um den Osten Rafahs - vonstattengehen, und über die Einnahme des Grenzübergangs Rafahs. Das ist die Sachlage, über die wir im Moment Erkenntnisse haben. Darüber hinaus würde ich jetzt noch einmal auf meine erste Beantwortung Ihrer Frage verweisen.

Zusatzfrage

Das Spiel spielen Sie ja, wenn Sie immer wieder auf "Großoffensive" anspielen!

Sie sprachen die Nachvollziehbarkeit der Medienberichterstattung an. Verstehe ich Sie richtig, dass die Bundesregierung das, was in Rafah passiert, nur in den Medien verfolgt?

Deschauer (AA)

Netter Versuch, lieber Herr Kollege! Das ist ja auch das Spiel hinsichtlich der Fragestellung nach Erkenntnissen, die wir als Bundesregierung an dieser Stelle teilen. Ich habe alles im Zusammenhang mit der sehr besorgniserregenden aktuellen Lage, zu der sich die Außenministerin sowie die Bundesregierung auch schon geäußert haben, gesagt.

Frage

Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt, vielleicht auch an das BMZ. Es geht um eine lokale Mitarbeiterin des GIZ, Baraa Odeh, die seit März ohne Anklage in israelischer Haft sitzt. Sie wurde laut ihrem Anwalt brutal zusammengeschlagen und auch sexuell belästigt und misshandelt. Was tut die Bundesregierung, um die Freilassung dieser Dame zu ermöglichen?

Schöneck (BMZ)

Ich kann kurz für das BMZ dazu Stellung nehmen. Uns ist die Verhaftung der GIZ-Mitarbeiterin bekannt. Darüber hatte Israel am 5. März informiert. Die Verhaftung ist nach unseren Kenntnissen nach einer Privatreise erfolgt und steht zumindest nach unseren Erkenntnissen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeit für die GIZ. Die GIZ arbeitet mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln daran, die Hintergründe zu klären, und steht in engem Austausch mit der Familie der Betroffenen. Wir als BMZ unterstützen diese Bemühungen der GIZ.

Zusatzfrage

Das heißt, Sie fordern die Freilassung? Sie sitzt ohne Anklage in Haft, fast seit drei Monaten!

Schöneck (BMZ)

Wir unterstützen die GIZ darin, die Hintergründe der Verhaftung zu klären und die entsprechende Unterstützung der Person zukommen zu lassen. Sie selbst steht über die Familie im Austausch mit der GIZ.

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Collatz und eine an Herrn Hebestreit, und zwar zu dem Beschluss des CDU-Bundesparteitag zum Thema Wehrpflicht. Mich würde von Herrn Collatz interessieren, wann in etwa mit den Vorschlägen zu diesem Gesamtkomplex von Minister Pistorius zu rechnen ist. Ist innerhalb der Koalition geplant, zu einem Abschluss noch innerhalb dieser Legislaturperiode zu kommen?

Wie bewerten Sie diese Kontingentwehrpflicht dieses Konzeptes? Das orientiert sich ja eigentlich so ein bisschen an dem schwedischen Modell, das der Minister auch immer ins Gespräch bringt.

Herr Hebestreit, wie sieht der Bundeskanzler die Debatte? Hält er es für erforderlich, über solche Modelle in der Koalition diskutieren? Minister Pistorius hat ja zum Beispiel schon gefordert, dass man zu einer Musterung der jungen Jahrgänge für alle zurückkommen müsse, um im Spannungs- und Verteidigungsfall überhaupt zu wissen, wen man denn einziehen könnte, weil man ja jetzt überhaupt eine Datenbasis mehr hat. Die Wehrpflicht ist ja nur bis zu diesem genannten Fall ausgesetzt.

Collatz (BMVg)

Dann starte ich einmal. - Sie wissen ja, dass sich Minister Pistorius schon seit Langem mit der Thematik beschäftigt und eben auch das Haus gebeten hat, ihm dazu Vorschläge zu machen. Er ist auch viel herumgereist, um sich Modelle anzuschauen, auch seine Staatssekretäre und andere. Er selbst hat ja den Zeitrahmen schon ungefähr angedeutet. In diesem Quartal wird es auf jeden Fall etwas geben, was dann als Vorschlag in die Debatte eingeworfen wird, sicherlich auch verbunden mit einer Empfehlung, unabhängig von dem, was andere Parteien entschieden haben. Damit, denke ich, ist der Zeitrahmen genannt, und für die Thematiken, die behandelt werden, ist der Rahmen inhaltlich auch gesetzt, denke ich.

Zusatzfrage

Abschluss innerhalb dieser Legislaturperiode?

Collatz (BMVg)

Das wird sich erst zeigen müssen. Wie ich ausführte und wie der Minister ja auch sagte, ist das sein Impuls zu dieser Fragestellung oder auch ein Vorschlag, wie man an eine Lösung herangehen könnte. Die Problemstellung aus Sicht des Verteidigungsministeriums ist zu beschreiben, und dann wird sich zeigen, wie es politisch weitergeht.

StS Hebestreit

Der Bundeskanzler beobachtet diese Diskussion natürlich sehr aufmerksam. Der Fachminister hat sich kundig gemacht und ist jetzt gerade dabei, sich eine Meinung zu bilden. Die wird er mit dem Bundeskanzler diskutieren, und alles Weitere wird man dann im Anschluss auch im Lichte dieser Erkenntnisse sehen. Wichtig ist, dass wir eine Bundeswehr haben, die schlagkräftig ist und die ihre Aufgaben erfüllen kann. Wie das genau jetzt, aber auch in Zukunft zu gewährleisten ist, das werden die Diskussionen in den nächsten Wochen und Monaten sein.

Kall (BMI)

Herr Kollege, ich kann Ihnen jetzt Zahlen hinsichtlich Ihrer Frage nennen, wie viele Rechtsextremisten in den letzten Jahren entwaffnet worden sind. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder arbeiten gemeinsam mit den Waffenbehörden der Länder sehr intensiv daran. Ich kann Ihnen bundesweite Zahlen nennen, zuletzt von Ende 2022. Die neuen bundesweiten Zahlen - das sind alles Zahlen der Länder, die in gewissen Abständen dem Bund gemeldet werden - sollen bis zum Ende des zweiten Quartals kommen. Ende 2022 verfügten also nach diesen verfügbaren bundesweiten Zahlen 1051 Rechtsextremisten über waffenrechtliche Erlaubnisse, davon 518 über den sogenannten Kleinen Waffenschein, der zum Führen von Signalwaffen, Reizstoff- und Schreckschusswaffen berechtigt, also nicht von scharfen Schusswaffen, aber eben immer noch eines großen Teils davon. 181 von diesen 1051 Personen ist im Jahr 2022 diese Waffenerlaubnis entzogen worden. Im Reichsbürgerspektrum, kann ich sagen, sind seit 2016 1100 Waffenerlaubnisse entzogen worden.

Frage

Ich habe noch eine Nachfrage zum Stand der Besetzung des Postens der Bundesdatenschutzbeauftragten. Herr Kelber kann ja nur noch bis Anfang Juli kommissarisch im Amt bleiben. Wann wird das Kabinett dem Bundestag die Personalie vorschlagen?

StS Hebestreit

Wenn ich das richtig gesehen habe, gab es heute einen Personalvorschlag in der sogenannten Personalliste, die das Kabinett abgesegnet hat, und darin ist auch die neue Datenschutzbeauftragte vom Kabinett abgesegnet worden. Das heißt, das befindet sich jetzt im Zulauf.

Kall (BMI)

Ich glaube, die Bundesinnenministerin hat sich auch gerade mit einem Zitat dazu geäußert. Sie haben das also verraten! Die Bundesregierung kann ja nur einen Vorschlag machen - das ist eine unabhängige Beauftragte -, und die für das Datenschutzrecht zuständige Bundesinnenministerin hat einen solchen Vorschlag gemacht, nachdem vorher in den Koalitionsfraktionen, wie das bei solchen Personalien üblich ist, sondiert und diskutiert wurde. Deswegen hat es auch leider etwas gedauert. Aber jetzt gibt es diesen Vorschlag. Das ist eine Bonner Rechtsprofessoren. Frau Professorin Specht-Riemenschneider soll die künftige Bundesdatenschutzbeauftragte werden, wenn sie denn vom Deutschen Bundestag als solche gewählt wird.

Frage

Herr Kall, ich musste die Zahl, die Sie vorgestern genannt haben, erst einmal verdauen: 256 000 Männer im wehrfähigen Alter seien unter den ukrainischen Flüchtlingen. Im Idealfall wären das zehn Divisionen. Es gibt jetzt nicht nur aus dem parlamentarischen Raum, sondern zum Beispiel auch vom hessischen Innenminister Überlegungen, diese Männer dazu zu bewegen, vielleicht doch für ihr Land zu kämpfen. War das nicht auch gestern bei der Innenministerkonferenz oder der Schalte ein Thema? Gibt es Überlegungen, in dieser Hinsicht irgendetwas zu unternehmen, damit die Leute nach Hause fahren?

Kall (BMI)

Herr Kollege, ich habe ja auf Ihre Frage hin eine Zahl von ukrainischen Männern in Deutschland genannt, die laut dem Ausländerzentralregister zwischen 18 und 60 Jahren alt sind. Das sagt erst einmal über deren Wehrfähigkeit sehr wenig aus, weder rechtlich - das müsste dann die ukrainische Regierung beantworten - noch, was sozusagen die individuellen Umstände, deren Gesundheit usw. angeht. Deswegen würde ich diese Zahl mit aller Vorsicht betrachten und auch in Relation zu den mehr als 1,1 Millionen aus der Ukraine Geflüchteten betrachten, die sich im Moment insgesamt in Deutschland aufhalten.

Ich kann meinen Ausführungen von Montag nur eine Kleinigkeit hinzufügen, erstens zu Ihrer Frage: Nein, das war kein Thema bei der gestrigen Sitzung der Innenministerkonferenz. Die drehte sich ausschließlich um die aktuellen Bedrohungslagen, was Bedrohungen gegen die Demokratie, gegen Amtsmandatsträger, Ehrenamtliche usw. angeht. Das hat kein Landesinnenminister gestern thematisiert.

Es gab aber gestern eine Tagung auf Arbeitsebene mit den Ausländerbehörden der Länder, die ja zuständig sind, wenn es um eine mögliche Ausstellung von Ersatzpapieren geht. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, was aber auch eine rechtliche Selbstverständlichkeit ist, dass es dann, wenn kein Pass vorliegt, immer im Einzelfall zu prüfen ist, ob in Deutschland Ersatzpapiere ausgestellt werden. Das ist im Gesetz geregelt. Das ist dann eine Einzelfallentscheidung der Ausländerbehörde vor Ort.

Nochmals, wie ja schon am Montag gesagt habe: Es gilt ein EU-weiter Schutzstatus für alle aus der Ukraine Geflüchteten, der nicht nach Geschlecht, Alter oder sonstigen Kriterien differenziert.

Zusatzfrage

Gab es auch eine Diskussion über den Vorschlag, zumindest wehrfähige Männer bei der Sozialhilfe zu benachteiligen, wie ich einmal sage?

Kall (BMI)

Das wäre eine Frage für das BMAS, nicht für uns.

Stoltenberg (BMAS)

Das BMAS war gestern bei der Sitzung der Innenministerkonferenz nicht anwesend, aber es gibt klare Regelungen, die zum Bezug von Bürgergeld berechtigen. Mir sind jetzt keine Pläne bekannt, daran etwas zu ändern.

Frage

Ich frage, weil es nur heute passt. Herr Hebestreit, heute ist Tag der Befreiung. Der Kanzler hat vor zwei Jahren eine Fernsehansprache anlässlich des 8. Mai gehalten. Letztes Jahr hat die Kulturstaatsministerin zumindest ein Statement abgegeben. Können wir heute noch eines erwarten?

StS Hebestreit

Eine Fernsehansprache nicht - das war auch ein ganz besonderes Jubiläum und fand seinerzeit unter ganz besondere Bedingungen statt -, aber der Kanzler wird sich auch heute noch einmal über die Sozialen Medien zu diesem Tag äußern, ja.

Mittwoch, 8. Mai 2024