02/07/2025 | Press release | Distributed by Public on 02/07/2025 02:09
Nach intensiven Debatten beschloss der Kantonsrat am 31. Oktober 2022 mit knapper Mehrheit eine Änderung des Gesundheitsgesetzes zur Sterbehilfe. Der Regierungsrat schuf die gesetzlichen Grundlagen, und die Anpassung trat am 1. Juli 2023 in Kraft (§ 38a GesG). Demnach können Bewohnerinnen und Bewoh-ner von Alters- oder Pflegeheimen, die von einer Zürcher Gemeinde betrieben oder be-auftragt sind, in deren Räumlichkeiten auf eigene Kosten Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Private Heime ohne Leistungsauftrag einer Zürcher Gemeinde sind davon ausgenommen und folglich nicht dazu verpflichtet.
Die Volksinitiative fordert nun eine Ausdehnung der Pflicht zur Duldung von Sterbehilfe auf weitere Institutionen bzw. eine Anpassung des Gesundheitsgesetzes sowie des Pati-entinnen- und Patientengesetzes. Diese soll nicht nur auf private Heime ausgeweitet wer-den, sondern auch für Spitäler inklusive psychiatrische Einrichtungen, ambulante Einrich-tungen wie Hausarztpraxen und Tageskliniken sowie für Institutionen des Justizvollzugs wie Strafanstalten gelten.
Der Regierungsrat lehnt die Volksinitiative als zu weitreichend und mit dem Grundauftrag der meisten Institutionen nicht vereinbar ab. Im Titel der Initiative werden nur Alters- und Pflegeheime genannt, der Initiativtext geht aber deutlich weiter.
Spitäler haben im Unterschied zu Alters- und Pflegeheimen eine kurative Ausrichtung - sie dienen der Gesundheitserhaltung und -wiederherstellung - und behandeln nicht pri-mär Personen am Lebensende. Gemäss dem Initiativkomitee soll es den Menschen er-möglicht werden, dort zu sterben, wo sie ihre letzte Lebensphase verbracht, sich umsorgt und zu Hause gefühlt haben. Letzteres trifft auf Spitäler und ambulante Einrichtungen grundsätzlich nicht oder nicht in gleicher Weise zu wie auf Heime. Spitalpatientinnen und -patienten verfügen in der Regel noch über ein eigenes Zuhause. Bei der Betreuung von Patientinnen und Patienten am Lebensende besteht die ärztliche Aufgabe in der Symp-tombehandlung und Leidenslinderung ohne bewusste Lebensverkürzung - im Sinne der Palliative Care. Die Ermöglichung des assistierten Suizids könnte daher im Widerspruch zur Palliative Care stehen. Zudem könnten sich ältere Patienten unter Druck gesetzt füh-len, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen, um Angehörige oder das Gesundheitssystem nicht zu belasten.
Der Regierungsrat sieht noch grössere Risiken in der Duldung eines assistierten Suizids bei Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Einrichtungen, da diese tendenziell sui-zidgefährdeter sind und ihre Urteilsfähigkeit auch stets situativ beurteilt werden muss. Der Zugang zur Sterbehilfe widerspricht klar dem Schutzauftrag dieser Institutionen, für eine Stabilisierung und Genesung der Betroffenen zu sorgen.
Justizvollzugseinrichtungen sind erst recht keine Institutionen, in denen sich mehrheitlich Personen am Lebensende aufhalten. Ihre primäre Aufgabe ist der Vollzug strafrechtlicher Sanktionen. Der Staat hat eine besondere Schutzpflicht gegenüber Inhaftierten, die auch den Schutz von Leben und Gesundheit umfasst und Suizide verhindern soll. In Ausnah-mefällen ist assistierter Suizid im Strafvollzug jedoch bereits heute möglich, wenn eine urteilsfähige, schwerkranke Person am Lebensende keine Palliativbehandlung wünscht und eine vorzeitige Entlassung nicht infrage kommt.
Der Regierungsrat unterstützt das Hauptanliegen der Volksinitiative, das Selbstbestim-mungsrecht der Heimbewohnerinnen und -bewohner über die Autonomie der Institutionen zu stellen, eigenständig darüber zu entscheiden, ob sie Suizidhilfe in ihren Räumlichkeiten zulassen oder nicht. Daher befürwortet er, die Duldungspflicht auch auf private Heime auszudehnen. Die Pflicht, Sterbehilfeorganisationen Zugang zu gewähren, schränkt die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Heime nach Ansicht des Regierungsrats nicht un-verhältnismässig ein. Da diese nicht aktiv am assistierten Suizid mitwirken, sondern ledig-lich externen Organisationen den Zutritt ermöglichen oder tolerieren müssen.
«Die Initiative ist zu extrem und widerspricht dem Auftrag der Spitäler, den Patientinnen und Patienten in einem geschützten Umfeld die optimale medizinische und pflegerische Versorgung zu bieten. Jedoch unterstützen wir das Anliegen der Initiative, dass Bewohne-rinnen und Bewohner von allen Heimen Zugang zur Sterbehilfe erhalten sollen», sagt Ge-sundheitsdirektorin und Regierungspräsidentin Natalie Rickli. Sie betont ausserdem die Verantwortung jedes Einzelnen, sich mit dem Sterben und möglichen Vorkehrungen wie einer Patientenverfügung auseinanderzusetzen.
Der Regierungsrat beantragt dem Kantonsrat, die Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» abzulehnen und dem Gegenvorschlag zuzustimmen.